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Berlusconi droht in «seiner» Stadt ein Wahldebakel

Auf Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi wartet heute und morgen mit Kommunalwahlen in mehreren grossen Städten der erste Wahltest nach dem Ruby-Skandal. Der Urnengang in Mailand könnte über sein politisches Schicksal entscheiden.

Südostschweiz
15.05.11 - 02:00 Uhr

Von Dominik Straub

Mailand. – Seit Tagen schiesst Italiens Premier Silvio Berlusconi auf allen TV-Kanälen mit schwerem Geschütz gegen seine tatsächlichen und vermeintlichen Feinde: gegen die Mailänder Staatsanwälte, die er als «Krebsgeschwür der Demokratie» bezeichnet, gegen den Staatspräsidenten, dessen ohnehin bescheidene Macht er weiter stutzen will, und gegen die Opposition. Sollte diese bei den Kommunalwahlen gewinnen, «dann würde das ganze Land weniger frei» und die Städte würden sich «mit Zigeunern und Clandestini füllen». Und immer dann, wenn man glaubt, dass das Niveau seiner Tiraden nicht mehr weiter sinken könne, legt der Cavaliere noch nach. So erklärte er am Dienstag an einer Wahlveranstaltung, dass sich die linken Parteichefs «selten waschen» würden.

Umfragewerte sind im Keller

Am Schwitzen ist freilich Berlusconi selber: Heute und morgen werden in Mailand, Turin, Neapel, Bologna und weiteren grossen Städten neue Stadtregierungen gewählt. Es handelt sich um den ersten grossen Popularitätstest für den Regierungschef, seit Anfang Jahr der Sexskandal um die Marokkanerin Karima el Mahroug alias Ruby aufgeflogen ist. Berlusconi muss sich wegen verschiedenen, mit insgesamt mehreren Zehntausend Euro vergüteten Besuchen Rubys in seiner Mailänder Villa wegen Prostitution mit Minderjährigen und Amtsmissbrauch verantworten. Seine Umfragewerte sind im Keller – und so versucht Berlusconi mit Ausfälligkeiten, seine Wählerschaft zu mobilisieren und die Kommunalwahlen in ein Plebiszit über sich selber zu verwandeln.

Grosse Bedeutung hat vor allem der Urnengang in Mailand, Hauptstadt des reichen Nordens sowie Geburtsstätte und Hochburg des Berlusconismus. Hier stehen sich Berlusconis Kandidatin, die amtierende Bürgermeisterin Letizia Moratti, sowie als Kandidat des Partito Democratico (PD), der grössten Oppositionspartei, der Strafrechtsspezialist und Publizist Giuliano Pisapia gegenüber. Beobachter sind sich einig, dass alles andere als eine direkte Wiederwahl Morattis im ersten Wahlgang eine verheerende Niederlage für Berlusconi bedeuten würde. «Der Populist riskiert, in seiner eigenen Stadt ohne ‘popolo’, ohne Volk, dazustehen», erklärt PD-Chef Pierluigi Bersani. Der König wäre nackt und – so hofft zumindest die Opposition – das vorzeitige Ende der Legislatur und der Ära Berlusconi wäre eingeläutet.

Wahlversprechen nicht eingehalten

Die Linke gibt sich zuversichtlich, im seit Jahrzehnten von Mitte-rechts-Koalitionen regierten Mailand einen Coup zu landen. Zum einen hatte Berlusconis Kandidatin Moratti schon vor fünf Jahren die für eine Wahl im ersten Wahlgang erforderlichen 50 Prozent der Stimmen nur um zwei Punkte übertroffen. Zum anderen hat die Ex-Unternehmerin und ehemalige Gesundheitsministerin viele Wahlversprechen nicht eingehalten und damit zahlreiche Wähler enttäuscht. Vor allem mit der Organisation der Weltausstellung Expo 2015 zeigte sich Moratti überfordert; das Projekt befindet sich in einem bedenklichen Zustand.

Mit dem aus einer angesehenen Familie stammenden Giuliano Pisapia verfügt die Opposition ausserdem über einen Kandidaten, dem ein Exploit an den Urnen zugetraut wird: Obwohl Pisapia – als Parteiloser – während zwei Legislaturen für die Kommunisten im nationalen Parlament sass, geniesst der unaufgeregte Intellektuelle auch im bürgerlichen Mailand Sympathien. Gleichzeitig ist er als ehemaliger Anwalt des Kurdenführers Abdullah Öcalan und der Eltern des bei den Ausschreitungen beim G-8-Gipfel von Genua im Jahr 2001 von der Polizei erschossenen Demonstranten Carlo Giuliani auch für Mailands radikale Linke wählbar. Berlusconi ist nervös, und er hat allen Grund dazu.

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