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Bartgeier verhindern den Bau eines Wasserkraftwerks

In der Val Chamuera bei La Punt Chamues-ch wird kein Wasserkraftwerk gebaut. Das Repower-Projekt wurde mit 74 Nein- zu 64 Ja-Stimmen abgelehnt. Die Umweltfreunde und -organisationen jubeln.

Südostschweiz
21.08.14 - 02:00 Uhr

Von Fadrina Hofmann

La Punt Chamues-ch. – «Mir ist ein grosser Stein vom Herzen gefallen», sagt Riccardo Laudenbacher nach der Abstimmung zum Kraftwerkprojekt Chamuera. Im Vorfeld der Gemeindeversammlung vom Montagabend war er einer der aktivsten privaten Kämpfer für den Erhalt der Val Chamuera. «Ich bin am Eingang des Tales aufgewachsen, habe einen grossen Teil meiner Kindheit dort verbracht und geniesse auch heute noch die einzigartige Natur in der Val Chamuera», erzählt Laudenbacher.

Das Geld interessierte nicht

Für ihn sei der Entscheid gegen das Kraftwerk eine Genugtuung. «Nun kann auch mein Kind noch die Schönheit der Val Chamuera geniessen», meint er. Mit 74:64 Stimmen fiel das Resultat knapp aus. «Beide Seiten konnten mobilisieren», sagt Gemeindeschreiber Urs Niederegger. 137 Personen waren an der Gemeindeversammlung anwesend. Obwohl diese Zahl nur einen Viertel der Stimmbevölkerung ausmacht, ist es für La Punt Chamues-ch doch beachtlich.

Niederegger ist vom Abstimmungsresultat nicht überrascht. «Wir wussten, dass es Opposition geben würde», meint er. Der Gemeindevorstand unterstützte das Konzessionsprojekt, das eine installierte Leistung von etwa 3,5 Megawatt und eine jährliche Produktion von bis zu 14 Gigawattstunden vorsah.

Die Repower AG rechnete mit Baukosten von rund 23,5 Millionen Franken. Die Gemeinde hätte mit Einnahmen von rund 100 000 Franken jährlich rechnen können. «Der finanzielle Aspekt war für die Stimmbürger nicht interessant, da wir das Geld nicht brauchen», meint Niederegger. Ein Blick auf die ebenfalls am Montag verabschiedete Jahresrechnung zeigt für 2013 einen Ertragsüberschuss von über einer Million Franken sowie einen Cashflow von knapp zwei Millionen Franken.

Der Hauptgrund für das Scheitern des Projekts liegt beim Naturschutz. Vor allem die Tatsache, dass ein Bartgeierpaar in der Val Chamuera zuhause ist, hat die Stimmbürger für die Thematik sensibilisiert. «Der Bartgeier wurde zum Symbol für die Val Chamuera», bestätigt auch Laudenbacher. Seit 2008 hat das Bartgeierpaar Adula dort sechsmal in Folge erfolgreich ein Jungtier aufgezogen. Damit gilt es als das produktivste Paar der Schweiz.

WWF, Pro Natura Graubünden, der Fischerei- Verein St. Moritz und Umgebung sowie der Vogelschutz Engadin hatten sich im Vorfeld der Abstimmung gemeinsam für den Erhalt der Val Chamuera eingesetzt.

In einem Flyer an die Stimmbevölkerung plädierten sie für Natur- und Landschaftsschutz und betonten den wichtigen Rückzugsort für den Bartgeier.

Dass das Konzessionsprojekt nun abgelehnt wurde, freut Anita Mazzetta, Geschäftsleiterin WWF Graubünden, sehr. «Wir sind extrem glücklich über diesen sehr weisen Entscheid», sagt sie. Die Val Chamuera sei eines der urtümlichsten Täler des Oberengadins und zudem eine kantonal geschützte Landschaft. «Neben dem Beverin ist die Ova Chamuera das letzte grössere ungenutzte Seitengewässer im Oberengadin», erklärt Mazzetta. Die Val Chamuera sei ein «Riesenkapital» und zwar nicht nur für die Natur, sondern auch touristisch als Naherholungsgebiet .

Anders tönt es bei der Repower AG. «Wir bedauern den Entscheid sehr», meint Werner Steinmann, Leiter der Medienstelle. Das Projekt wäre seiner Meinung nach «absolut umweltfreundlich» gewesen. «Es hätte zudem erneuerbare Energie für 2800 Haushaltungen geliefert, was eine Ergänzung für die Stromproduktion bedeutet hätte», erläutert Steinmann.

Die Repower AG verfolgt andere Projekte

An diesem Beispiel merke die Repower AG, dass es schwierig geworden sei, Kraftwerke zu realisieren. Einerseits sei der Ruf nach Wasserkraft da, andererseits würden «Stolpersteine» die Realisierung von Projekten verunmöglichen. «Natürlich akzeptieren wir den demokratischen Entscheid von La Punt Chamues-ch», meint Steinmann. Im Engadin werde nun noch das Kraftwerk-Projekt Morteratsch bei Pontresina erarbeitet. Und auch das Projekt Lago Bianco werde trotz aktuell schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen weiterverfolgt. «Wir bleiben dran, damit wir das Projekt reaktivieren können, wenn der Markt danach verlangt», erklärt der Mediensprecher.

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