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Aus dem Hobby im Klöntal wird ein Beruf in Schottland

Schottland ist die neue Heimat von Michael Kreis. Der Glarner lebt in einem Nationalpark. Als Guide zeigt er Fischern, wo sie die besten Fanggründe erwarten dürfen. Die letzten vier Jahre studierte er Aquakultur. Nun ist er offen für neue Projekte.

Südostschweiz
25.10.14 - 02:00 Uhr

Von Irène Hunold Straub

Glarus. – Ein-, zweimal pro Jahr besucht der 38-jährige Michael Kreis seine Mutter und seine Kollegen im Glarnerland. Dieses Mal ist das Wetter so schlecht, wie es sonst Schottland nachgesagt wird. «Dort hatten wir die letzten sieben Wochen strahlendes Wetter», sagt er lachend.

Was er an Schottland nebst der Gegend und den vielen Fischen, die ihm den Weg zu einem neuen Beruf zeigten, besonders liebt, sind die unkomplizierten Menschen.

Kreis’ Frau ist für drei Gefängnisse zuständig

Zuvor hatte Kreis rund zweieinhalb Jahre in Brighton, an der Südküste Englands, gelebt. In mühsamer Kleinarbeit musste er sich seine Bankkonti und Referenzen aufbauen, um zu Wohnung und Job zu kommen. Und das alles trotz der Tatsache, dass er mit einer Dänin und damit einer EU-Bürgerin verheiratet ist.

Die Arbeit seiner Frau Mette verschlug das Ehepaar vor elf Jahren nach Schottland. Sie ist eine Psychologin, die mit Arbeiten über Psychopathie bei Frauen einerseits und klinischer Psychologie andererseits doktorierte und heute für die psychologische Betreuung der drei Gefängnisse Zentral-Schottlands zuständig ist.

«Wir suchten eine Wohnung und waren nach den England-Erfahrungen auf einiges gefasst», erzählt Kreis. Die erste gefiel ihnen am besten. Als er seinen Referenz-Ordner aus dem Auto holen wollte, reichte ihm der Hausbesitzer den Wohnungsschlüssel und sagte, diesen Ordner brauche er nicht. Er verlasse sich auf seine Menschenkenntnis – und hat es nicht bereut.

Solche Beispiele könnte der Glarner mit seiner herzlichen, gewandten, erfrischenden Art etliche erzählen.

Den Vater und den jüngeren Bruder verloren

Als 21-Jähriger – inzwischen gelernter Maurer und im Winter Snowboard-Lehrer – geht Kreis auf Reisen und lernt in Thailand seine spätere Frau kennen. Dann stirbt sein Vater. Es ist ein Schock. Und den Glarner, der nun bereits in Schottland lebt, trifft ein weiterer Schicksalsschlag: Sein jüngerer, krebskranker Bruder Thomas stirbt ebenfalls. «Wir waren einander sehr eng verbunden», erzählt Kreis. Beide Ereignisse hätten ihn stark geprägt.

Als seine Mutter, Andrea Trümpy, zweieinhalb Jahre später zur ersten – und bisher einzigen – Gemeindepräsidentin des Hauptortes gewählt wird, reist Michael Kreis mit dem Auto zur Wahlfeier an. Er schafft es in weniger als 18 Stunden.

Im Militär wird Kreis Gebirgs-Grenadier und Oberleutnant. «Die Armeewelt stimmte damals für mich; ich habe sehr viel gelernt», sagt er. Die Berufsmatura holt er innerhalb eines einzigen Jahres nach.

Um auswandern zu können, wie es dem Ehepaar vorschwebt, braucht er eine Bewilligung der Armee. Als Maurer möchte er in England nicht arbeiten, als Snowboard-Lehrer kann er nicht, und ins Militär darf er nicht. Er qualifiziert sich bei einer Firma, die Etiketten von England aus für den deutschen Raum verkauft, und schliesslich gründen er und sein früherer Chef eine eigene Firma.

Ab 2015 ist Kreis Pächter des Loch Katrine

Unterdessen hat sich das Ehepaar ein eigenes Haus gekauft und umgebaut: ein 300-jähriges Cottage mitten im Loch Lomond & Trossachs National Park in Brig o’ Turk. Hier besinnt sich der Glarner auf das, was ihn schon als Bub gereizt hat: fischen. Oft hatte ihn seine Mutter zum Postauto begleitet, das ihn ins Klöntal führte, und ab und zu äugte auch der Postauto-Chauffeur zum Seeufer, wenn er seine Kurse fuhr. Mit dem letzten Postauto kam der Bub dann zurück – stets mit einer ansehnlichen Beute.

In Schottland gibt es hervorragende Lachsflüsse. Man kann aber auch Hecht, Forellen, Äschen und natürlich im Meer fischen. Längst ist Kreis ein Guide, der begeisterte Fischer begleitet. Das Fischen ist seine Passion. Kreis übernimmt ab 2015 die Pacht des Loch Katrine, eines der grössten und besten Hecht- und Forellen-Gewässer Zentral-Schottlands.

Ein Chalet für Besucher des Nationalparks

Vor vier Jahren schrieb er sich an der Universität Stirling ein, eine der drei weltweit führenden im Bereich Meeresbiologie. Er wird trotz grossem Andrang angenommen. Seine Studienrichtung heisst Aquakultur. «Es geht um die Zucht von allem, das im Wasser lebt», erklärt er. Sogar um Seegras, welches tonnenmässig am meisten ins Gewicht fällt. Vom Erlös her sei die Crevettenzucht die wichtigste.

Es ist eine intensive Zeit. Nach seinem Abschluss leitet er in Thailand drei Monate lang ein Forschungsprojekt, bei dem es darum geht, geschmackvollere Fische zu züchten.

Momentan besinnt er sich neben dem Guiding seines ursprünglichen Berufs und baut eine Doppelgarage. Darüber entsteht ein weiteres Zimmer. Das kleine Chalet, gebaut im schweizerischen Stil im Garten und bis anhin der Familie und Freunden vorbehalten, hat er ebenfalls ausgebaut und vermietet es nun Nationalpark-Besuchern. «Das läuft wie geschmiert», freut er sich.

Nach dem Studium begrüsst er die Abwechslung und die körperliche Müdigkeit am Abend. Trotzdem: zwei, drei Projekte im Bereich Aquakultur hat er bereits wieder in Aussicht.

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