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Anstalt-Neubau in Cazis bringt Graubünden 80 neue Stellen

107 Millionen Franken will der Kanton Graubünden in den Neubau einer Strafanstalt in Cazis investieren. Entstehen sollen nicht nur 150 Haftplätze, sondern auch 80 neue Stellen. Genutzt wird die Anstalt nicht nur von Graubünden.

Südostschweiz
17.02.13 - 01:00 Uhr

Von Olivier Berger

Cazis. – Vorgeplant, diskutiert und evaluiert wurde lange, jetzt wird es konkret: Die Bündner Regierung hat das kantonale Hochbauamt beauftragt, einen Wettbewerb für einen Strafanstalt-Neubau in Cazis durchzuführen. Im kommenden Jahr will die Regierung ausserdem die Zustimmung des Grossen Rates zu dem 107-Millionen-Franken-Projekt einholen. «Stimmt das Parlament zu, werden wir wohl schon im Jahr 2015 mit der Ausschreibung der Arbeiten beginnen können», sagt Regierungsrat und Justizdirektor Christian Rathgeb.

Plätze für die Ostschweizer Kantone

Rund 70 Haftplätze in der neuen Anstalt will Graubünden laut Rathgeb selber nutzen: für zusätzliche Häftlinge und weil die Strafanstalt Sennhof in Chur aufgehoben wird (siehe Kasten). Die übrigen 80 Plätze will der Kanton den Partnern im Justizvollzugs-Konkordat Ostschweiz zur Verfügung stellen. «Besonders die Kantone Zürich und St. Gallen haben einen grossen Bedarf an zusätzlichen Plätzen.» Die übrigen Ostschweizer Kantone haben sich laut Rathgeb verpflichtet, innerhalb dieses Bedarfs vorläufig keine neuen Anstalten zu bauen.

Dass Graubünden gewissermassen für die ganze Ostschweiz Haftraum baut, lohnt sich für den Kanton auch finanziell. Zum einen bezahlen die Kantone für ihre «Gastinsassen» in Graubünden eine angemessene Tagespauschale. «Das hilft mit, dass wir die Investition in vernünftiger Zeit amortisieren können», betont Rathgeb. Zum anderen steuert der Bund sein Scherflein an ausgelastete Anstalten bei. «In unserem Fall wären das rund 33 Millionen Franken.»

Arbeitsplätze für die Region

Für Graubünden ist der Neubau in Cazis nicht nur wegen der zusätzlichen Plätze und der prekären betrieblichen Verhältnisse im Sennhof sinnvoll, wie Rathgeb erklärt. «Es gibt auch eine volkswirtschaftliche Seite.» Mit der Eröffnung der Anstalt im Jahr 2018 könne der Kanton in Cazis mindestens 80 neue Arbeitsplätze anbieten – «und zwar vorwiegend nicht für hochqualifizierte Mitarbeiter». Gefragt seien dann neben Betreuungspersonal auch Handwerker, Werkmeister, Hausdienstmitarbeiter und Angestellte für die Verwaltung.

Das Land gehört dem Kanton

Die Aussicht auf neue Arbeitsplätze dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die Gefängnispläne in Cazis – anders als in anderen Kantonen – nicht auf erbitterten Widerstand von Bevölkerung und lokalen Behörden stossen. Ein weiterer Vorteil sind laut Rathgeb die Besitzverhältnisse vor Ort. «Der Grund und Boden bei der heutigen Anstalt gehört bereits dem Kanton, wir müssen nicht mit Landbesitzern verhandeln.»

Der Standort in Cazis biete zudem mannigfaltige Vorteile, sagt Rathgeb. Die Nähe zur bestehenden offenen Vollzugsanstalt Realta biete die Möglichkeit für Synergien. Gleiches gelte für die benachbarte psychiatrische Klinik Beverin. Eine Zusammenarbeit mit den beiden bewährten Institutionen sei nicht nur in logistischen Bereichen wie der Wäscherei denkbar, so Rathgeb. «Einige der Insassen im Strafvollzug leiden beispielsweise an Persönlichkeitsstörungen, da ist die Nähe zur Klinik ein grosser Vorteil.» Überdimensioniert sei die neue Anstalt übrigens nicht. «Bereits heute fehlen in der Schweiz im geschlossenen Vollzug rund 440 Plätze», betont Rathgeb.

Chur. – «Das Hochbauamt ist damit beauftragt, künftige Nutzungsmöglichkeiten für den Sennhof zu prüfen», erklärt Justizdirektor Christian Rathgeb zur Strafanstalt mitten in der Churer Altstadt. Im Vordergrund stehe dabei aber eine Nutzung von anderen Stellen als dem Kanton. «Ich gehe davon aus, dass sich der Kanton nach der Eröffnung der neuen Anstalt in Cazis vom Sennhof trennt», bestätigt Rathgeb.

Bei der Stadt Chur dürfte man diese Ankündigung mit gemischten Gefühlen hören. Die Stadt könnte sich gut vorstellen, das historische Anstaltsgebäude einem kulturellen Zweck zuzuführen (Ausgaben vom 3. und 10. Dezember). Allerdings fehlt der Stadt das Geld für einen Kauf des Sennhofs; Politiker wie Kulturschaffende haben bisher darauf gehofft, das Gebäude vom Kanton mieten und ihre Anliegen nutzen zu können. Beim Kanton kann man sich laut Rathgeb dagegen einen Investorenwettbewerb für eine neue Nutzung des Areals vorstellen. An Interessenten für das Gelände an bester Lage dürfte es kaum fehlen.

Was auch immer aus dem Areal wird: Als Justizvollzugsanstalt hat der Sennhof ausgedient. Der Brand im letzten Jahr habe gezeigt, dass die Lage mitten in der eng bebauten Altstadt heute nicht mehr tragbar sei, so Rathgeb. Auch die betrieblichen Abläufe seien heute in dem historischen Gebäude schwierig aufrechtzuerhalten. «Der Sennhof», erklärt Rathgeb, «ist aus heutiger Sicht als Gefängnis ungeeignet.» (obe)

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