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Andelic: «Eigentlich sollte ich nicht mehr boxen»

Ivo Andelic isst als professioneller Boxer in Graubünden hartes Brot. Ein Leben ohne seinen geliebten Sport ist für den 28-Jährigen aus Trimmis trotz gesundheitlicher Sorgen aber schlicht unvorstellbar.

Südostschweiz
20.06.12 - 02:00 Uhr

Von Johannes Kaufmann

Boxen. – Ivo Andelic ist eine imposante Erscheinung. Als Schwergewichtler bringt der 187 Zentimeter lange 28-Jährige über 100 Kilogramm auf die Waage. Trotzdem spricht er eher leise und wählt seine Worte mit Bedacht. Der in Boxsportkreisen breit vertretenen Spezies der Lautsprecher und Sprücheklopfer scheint Andelic nicht anzugehören. «Er ist ein guter Junge», sagt Trainer Dino Caputo, der in Bad Ragaz den in Trimmis domizilierten Kroaten, der als Kleinkind mit seinen Eltern in die Schweiz kam, unter seinen Fittichen hat. Vielleicht stehen exakt diese Charaktereigenschaften Andelic im Ring im Weg. Denn Caputo sagt auch: «Wenn ihm etwas vorzuwerfen ist, dann ist es der mangelnde Killerinstinkt. Oft hat er seine Gegner am Rande eines Knockouts, verpasst es aber, den entscheidenden Schlag anzubringen.»

Start mit Max Renggli

Begonnen hatte alles in Chur, als Andelic mit 13 Jahren inspiriert von den Rocky-Filmen den Boxsport entdeckte. Erster Trainer war der legendäre Max Renggli beim Boxclub Chur. Doch der einst ruhmreiche Verein befand sich bereits in seinen letzten Zügen. Andelic trainierte fortan unter Caputo in Bad Ragaz. Der Boxer erwähnt den speziellen Draht zu einem Trainer und Förderer. «Ich bin Dino Caputo sehr dankbar. Er ist wie ein zweiter Vater für mich», sagt Andelic. Parallel zum Boxen war er Fussball-Torhüter in der Nachwuchsabteilung des FC Sargans, ehe er den Fussballsport zugunsten seiner eigentlichen sportlichen Passion aufgab. Andelic sagt: «Ich bin als Sportler gerne für mich alleine verantwortlich.»

Die Amateurkarriere umfasst rund 50 Kämpfe, von denen er etwas mehr als die Hälfte siegreich gestalten konnte. Es fehlt der grosse Titel, an den Schweizer Meisterschaften 2004 scheiterte er im Finale. Zusehends mangelte es auch an der Motivation. Es sei nicht einfach gewesen, stets gegen die selben Gegner anzutreten. Die Karriere steckte in der Sackgasse. Früh wurde Andelic indes eine Alternative zum Amateurboxen aufgezeigt. «Szenenkenner sagten stets, dass ich einen Profistil boxe», erinnert er sich.

Schmerzhafte Niederlage

Statt eines möglichen Rücktritts wurde die Laufbahn mit dem Übertritt zu den Profis 2008 neu lanciert. Die Bilanz darf sich sehen lassen: Von acht Kämpfen gewann er sechs. In seinem bislang letzten Kampf im Mai 2011 brachte ihm der Bulgare Yavor Marinchev die bislang einzige Niederlage bei. «Von diesem Schock habe ich mich monatelang nicht erholt», gesteht Andelic. Er spricht dabei sowohl die körperlichen, aber vor allem auch die seelischen Blessuren an. Die Bandscheibe machte nicht mehr mit. «Eigentlich sollte ich auf Anraten meines Arztes gar nicht mehr boxen», verrät ein nun etwas nachdenklich wirkender Andelic. Doch für einen Rücktritt fühlt er sich mit 28 Jahren schlicht nicht bereit. «Wenn ich in die Ferien reise, vermisse ich nach ein, zwei Tagen die schweisstreibende Arbeit im Ring», erläutert Andelic. Und der Teilzeit-Angestellte einer Sicherheitsfirma erwähnt auch gerne seinen Draht zum renommierten Sauerland-Boxstall in Deutschland. Mehrfach sei er als Sparringpartner gebucht worden. Er stand mit dem «russischen Riesen», dem 217 Zentimeter landen früheren WBA-Weltmeister Nikolai Walujew, zu Trainingszwecken im Ring.

Das nächste Ziel des Berufsboxers Ivo Andelic ist ein Ring-Comeback – mit einem Sieg, versteht sich. Er fühlt sich bereit, der Körper macht wieder mit. Im Mai bereitete er sich vergeblich auf einen Kampf vor. Sein Gegner fiel verletzt aus. Die nächste Chance wird kommen. Das liegt nun freilich primär in den Händen von Trainer und Manager Caputo. «Keine Frage, Andelic braucht für seine Weiterentwicklung Ringpraxis», sagt er. Nach zwei, drei Siegen wäre dann allenfalls die Basis gelegt für höhere Ambitionen. Die Vision ist ein Kampf um einen Interkontinental-Titel einer der vier grossen Weltverbände. Einfach wird das nicht. Die kleine Schweiz spielt im grossen Boxsport bloss eine marginale Nebenrolle.

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