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Ancelotti – der antiautoritäre Königliche bei Real Madrid

Nach einem schwierigen Start in die Saison überrollt Real Madrid seit zwei Monaten alle seine Gegner. Hinter dem Lauf der «Königlichen» steckt mit Carlo Ancelotti ein untypisch ruhiger Trainer.

Südostschweiz
26.11.14 - 01:00 Uhr

Von Julien Oberholzer

Fussball. – Zumindest an der Seitenlinie treffen heute im St. Jakob-Park zwei ganz unterschiedliche Stile aufeinander. In der einen Coachingzone Paulo Sousa, der oft wild gestikulierende und sehr mitteilsame Portugiese im Dienste des FC Basel und ihm gegenüber Carlo Ancelotti, der ruhige und manchmal fast desinteressiert drein blickende italienische Trainer von Real Madrid. Mit bewundernswerter Gelassenheit verfolgt der 55-Jährige die Geschehnisse auf dem Platz, ganz egal wie bedeutungsvoll die Partie auch ist. Eine geballte Faust ist für ihn schon beinahe ein Ausbruch an Emotionen.

Als Ancelotti vor dem Hinspiel gegen den FC Basel vor gut zwei Monaten auf die Probleme seiner Mannschaft zu sprechen kam, die eben zweimal verloren hatte, zog er eine Augenbraue hoch, riss die Mundwinkel etwas nach unten und meinte: «Vieles stimmt noch nicht. Es gibt einiges zu verbessern.» Er suchte keine Ausreden, ärgerte sich nicht über die Kritik und vermied es, die Schuld am schwachen Saisonstart einem anderen in die Schuhe zu schieben. Was seither geschah? Ancelotti löste die Probleme. Das 5:1 gegen Basel eingerechnet gewann Real Madrid seither 14 Partien mit einem Torverhältnis von 56:8.

Regisseur ohne Geltungsdrang

Ancelotti brachte die Neuzugänge wie Toni Kroos oder James Rodriguez auf Vordermann, passte die Taktik etwas an, aber vor allem behielt er im Kosmos Real Madrid, wo sich alles noch schneller dreht als anderswo in der Sportwelt, die Ruhe. Ganz ohne Kollateralschaden brachte er das erfolgsverwöhnte Fussballimperium wieder auf Kurs. In seiner Fähigkeit, Kompliziertes einfach zu lösen, erinnert der Trainer Ancelotti an den Spieler Ancelotti. Dieser war bei der AS Roma und der AC Milan in den Achtziger- und Neunzigerjahren ein intelligenter Mittelfeldspieler, der das Spiel mit kontrolliertem Kraftaufwand geschickt ordnete. Italiens Traineridol Arrigo Sacchi nannte Ancelotti seinen wichtigsten Spieler bei den Meistercup-Siegen von Milan 1989 und 1990.

Dass es damals andere waren, die meistens die Lobeshymnen der Fans beanspruchen durften, wie etwa Ruud Gullit, Marco van Basten, Franco Baresi oder Paolo Maldini, störte ihn nicht. Auch als Trainer ist er keiner, der sich in den Vordergrund spielt. Seinen Anteil am Erfolg redet er gerne klein. Die grosse Bühne überlässt er ganz im Gegensatz zu seinem Vorgänger José Mourinho den Spielern. In der Öffentlichkeit wird er nur dann laut, wenn es darum geht, einen seiner Spieler zu schützen. Nicht umsonst kann Ancelotti behaupten, er sei noch nie mit einem Schützling nicht zurecht gekommen. Bei Parma, Juventus Turin, Milan, Chelsea oder Paris St-Germain hatte er Spieler unter seiner Leitung, die als schwierig gelten. Doch keiner zerstritt sich mit Ancelotti.

«Sonst bin ich schnell weg»

Der Startrainer bezeichnet sich selber als antiautoritär. Er ziehe nur in den Krieg, wenn es nicht anders gehe. Etwa dann, wenn seine Unabhängigkeit gefährdet ist, wie unter der katarischen Führung bei Paris St-Germain. Den Klub verliess er nach einer Saison wieder. In seiner Autobiographie erklärt Ancelotti, dass sein Charakter viel mit seiner Herkunft zu tun hat. In Reggiolo in der Emilia wuchs er als Sohn eines Landwirts auf. Geduld, Ruhe und den Drang, unabhängig zu sein, habe er von dort. Nie habe er sich in die Aufstellung reinreden lassen, versichert Ancelotti, weder von Silvio Berlusconi in Mailand noch von Roman Abramowitsch in London.

Real Madrids Präsident Florentino Perez hat es bislang noch nie versucht. «Sonst bin ich schnell weg», sagt Ancelotti. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern, der im Juli zum zweiten Mal geheiratet hat, nimmt weder sich noch den Fussball ernster als es sein muss. Er liess sich Anfang der Achtzigerjahre im Film «Keiner haut wie Don Camillo» von Terence Hill verprügeln und entspannt die Atmosphäre in der Garderobe auch mal mit einem Witz. «Mit Carlo hatte noch nie jemand Probleme», sagt Sacchi, der Ancelotti von 1992 bis 1995 ins Trainermetier eingeführt hatte.

«Carletto» war damals Assistenztrainer bei der italienischen Nationalmannschaft. Danach arbeitete sich der kleine Carlo über die Serie B hoch zu einem der erfolgreichsten Trainer überhaupt. In Italien, England und Frankreich wurde er schon Meister, in Spanien Cupsieger und die Champions League gewann er als Coach dreimal.

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