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Abwanderung ist feststellbar, sie ist aber nicht alarmierend

Wegen der hohen Lebenshaltungskosten ist bisher keine grosse Abwanderung vom Oberengadin ins Unterengadin zu spüren. Zu diesem Schluss kommen einheimische Polit- und Wirtschaftsexponenten.

Südostschweiz
14.08.10 - 02:00 Uhr

Von Dario Morandi

Pontresina. – Den Schlusspunkt der Sommeraktion «Redaktion unterwegs» der Südostschweiz Medien hat am Donnerstag eine Gesprächsrunde in der Alpinen Schaukäserei Morteratsch bei Pontresina gesetzt. Der so genannte «Donnschtigs-Talk» war dem Thema «Innerengadiner Emigration» gewidmet. Dabei ging es um die Abwanderung von Einheimischen aus dem Oberengadin, weil diese dort kaum mehr günstigen Wohnraum finden.Teilnehmer an der abendlichen Veranstaltung waren die Innenarchitektin Ruth Schmid, der Scuoler Gemeindepräsident und BDP-Grossrat Jon Domenic Parolini, alt SP-Grossrat Romedi Arquint und Curdin Conrad, der in Silvaplana ein Sportartikelgeschäft besitzt. Die Gesprächsleitung hatte Radio-Grischa-Redaktor Nino Gadient inne.

Günstige Wohnungen vorhanden

Gleich zu Beginn der öffentlichen Veranstaltung, die wegen der schlechten Witterung und der tiefen Temperaturen nur im kleinen Kreis stattfand, wurde eines von verschiedener Seite klargestellt: Es sei zwar eine Abwanderung vom Ober- ins Unterengadin spürbar. Sie sei aber bisher nicht sonderlich gross und nicht alarmierend, hiess es. Curdin Conrad wusste auch, weshalb: In Silvaplana gebe es beispielsweise noch genügend günstige Wohnungen für Einheimische. Deshalb hält er die Diskussionen über eine angebliche Innerengadiner Emigration «an den Haaren herbeigezogen».

Wohnsitz zwangshalber verlegen

Vollkommen anders sah Romedi Arquint die Sache. Im Oberengadin könnten sich Normalverdiener wegen der hohen Bodenpreise «längst kein Eigenheim mehr leisten», sagte der ehemalige SP-Grossrat. Die Folge davon sei, dass immer mehr Einheimische ihren Wohnsitz zwangshalber ins Unterengadin verlegen müssten, wo die Lebenshaltungskosten wesentlich tiefen seien. Er kenne Oberengadiner Lehrer, die ihr Haus genau aus diesem Grund in Zernez gebaut hätten.Jon Domenic Parolini stellte denn auch fest, «dass gerade Zernez vom Druck im Oberengadin profitiert». In Scuol möchte der Gemeindepräsident jedoch politisch Gegensteuer geben, damit «Einheimische weiterhin zu vernünftigen Bedingungen ein Eigenheim kaufen können». Das Heil sieht er unter anderem in einer aktiven Bodenpolitik seitens der Gemeinden. Da habe auch Scuol einen gewissen Nachholbedarf, gab er aber offen zu. Diesem Makel will man gemäss seinen Worten jetzt unter anderem mit der Erarbeitung eines Unterengadiner Siedlungskonzepts zu Leibe rücken.

Volle Kassen in den Gemeinden

Ruth Schmid, die im Oberengadin auch im Immobilienhandel tätig ist, warnte bei dieser Gelegenheit vor der Verketzerung des Zweitwohnungsbaus. Immerhin beschere dieser Wirtschaftszweig den Gemeinden «prallvolle Kassen», gab die Innenarchitektin zu bedenken. Vorsorge in Sachen Zweitwohnungsbau zu treffen, sei ganz klar Aufgabe der öffentlichen Hand. Es könne ja nicht sein, dass man in St. Moritz dem Hotel «Kempinski» ein riesiges Grundstück abtrete, auf dem man auch günstige Wohnungen für Einheimische hätte hinbauen können, meinte sie. Schmid rief die Engadinerinnen und Engadiner auf, mehr Sorge zu den Zweitwohnungsbesitzern zu tragen, da diese eng mit dem Engadin verbunden seien und Arbeit sowie viel Geld ins Tal brächten.

Radio-Grischa-Redaktor Nino Gadient lüftet heute zwischen 8 und 8.30 Uhr im Rahmen der Sommeraktion «Redaktion unterwegs» das letzte Geheimnis des ehemaligen St. Moritzer Kurdirektors Hanspeter Danuser.

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