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16 Jahre Gefängnis für Schmidheiny und Partner

Der Schweizer Stephan Schmidheiny und der belgische Baron Jean-Louis de Cartier sind gestern in Italien in erster Instanz zu jeweils 16 Jahren Gefängnis und Schadenersatz- zahlungen in Millionenhöhe verurteilt worden.

Südostschweiz
14.02.12 - 01:00 Uhr

Nach Überzeugung des Gerichts in Turin hatten die beiden ehemaligen Mitbesitzer der Eternit S.p.A. (Genua) eine Umweltkatastrophe verursacht und sich der vorsätzlichen Unterlassung von Sicherheitsmassnahmen in zwei italienischen Eternit-Fabriken in Cavagnolo und Casale Monferrato schuldig gemacht.

In den zwei anderen italienischen Eternit-Fabriken in Bagnoli und in Rubiera seien allfällige Straftaten hingegen verjährt, urteilte das Gericht. Die beiden Angeklagten waren bei der Urteilsverkündung nicht anwesend. Die Verteidigung hatte einen Freispruch verlangt; die Staatsanwaltschaft hatte je 20 Jahre Gefängnis gefordert. Die Anklage gegen die beiden Unternehmer hatte auf vorsätzliche Tötung in rund 3000 Krankheits- und Todesfällen und Verursachung einer Umwelt-katastrophe gelautet.

Schmidheiny zieht Urteil weiter

Staatsanwalt Raffaele Guariniello sprach nach der Urteilsverkündung von einem «historischen Prozess». Schmidheinys Sprecher Peter Schürmann schrieb hingegen in einer Medienmitteilung, für die Verteidigung von Schmidheiny sei das Urteil völlig unverständlich. Es werde deshalb an die nächsthöhere Instanz weitergezogen.

Schmidheiny sei «weder je operativ Verantwortlicher noch Verwaltungsrat oder Besitzer der italienischen Eternit-Gruppe» gewesen, schrieb Schürmann. Zudem habe die Schweizerische Eternit-Gruppe (SEG) in den 70er- und 80er-Jahren über 60 Millionen Franken in die italienischen Werke investiert, um die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern.

Schürmann machte weiter mehrere «schwerwiegende Verfahrensmängel» geltend. Unter anderem seien den Verteidigern die Einsicht in Krankenakten der Opfer verweigert worden, indem die Staatsanwaltschaft diese nicht als Beweise eingebracht habe.

Schadenersatz in Millionenhöhe

Neben der Gefängnisstrafe wurden Schmidheiny und de Cartier auch zu Schadenersatzzahlungen verurteilt. Sie müssen 25 Mio. Euro an die Gemeinde Casale Monferrato, 20 Mio. Euro an die Region Piemont und 15 Mio. Euro an die Inail zahlen, die staatliche italienische Unfallversicherung.

De Cartier muss ausserdem der Gemeinde Cavagnolo 4 Mio. Euro Schadenersatz zahlen. Zudem müssen die beiden Unternehmer zwischen 70 000 und 100 000 Euro an acht Organisationen zahlen, darunter an Gewerkschaften und an den WWF. Entschädigt werden ausserdem rund 4500 Zivilparteien. Die Asbest-Opfer und ihre Familien sollen Schadenersatzzahlungen in Höhe von mehrheitlich zwischen 30 000 und 35 000 Euro erhalten.

Angebot zuvor abgelehnt

Die Gemeinde Casale Monferrato hatte am 3. Februar Schmidheinys Entschädigungsangebot in Höhe von 18,3 Millionen Euro abgelehnt. Im Gegenzug hätte die Gemeinde sich aus dem Prozess zurückziehen müssen. Im Dezember hatte die Gemeinde das Angebot noch angenommen, dann aber auf Druck der italienischen Regierung einen Rückzieher gemacht.

1952 hatte die Schweizerische Amiantus AG, wie die damals von der Schmidheiny-Familie kontrollierte Holding hiess, zusammen mit der belgischen Eternit (heute Etex) und der französischen Eternit die Eternit S.p.A. mit Sitz in Genua von den italienischen Besitzern gekauft. Die Schweizer erhöhten ihren Aktienanteil schrittweise und wurden 1973 grösster Aktionär. Schmidheiny übernahm 1976 die Führung der SEG von seinem Vater Max. 1986 ging die Eternit S.p.A. (Genua) Konkurs.

In Italiens Industrie wurde Asbest jahrzehntelang verwendet – unter anderem im Maschinenbau oder im Baugewerbe. Tausende starben an Lungenasbestose oder an einem durch Asbest verursachten Krebs des Brust- oder Bauchfells (Mesotheliom). (sda)

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