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«… kann ich froh und selig träumen»

Einmal im Jahr, sei es am 1. oder am 2. August, darf wohl auch ein rela-tiv nüchterner Schweizer träumen. Schliesslich heisst es ja in der zweiten Strophe unserer Nationalhymne, die wir hoffentlich alle gestern mit Inbrunst gesungen haben:

Südostschweiz
02.08.14 - 02:00 Uhr

«In des Himmels lichten Räumen, kann ich froh und selig träumen.» So träumte ich denn von einem feierlichen 1. August 2027, als die Schweiz über all ihre Schatten, alle Verträge und Verfassungen, über alle Gräben und Ideologien gesprungen war. Denn jetzt rollten am und durch den Gotthard ungehindert die Züge und Autos, längst vergessen waren die Riesenstaus und die Bauverhin- derungen des 1. August 2014. Das war so gekommen: 2014 hatte die Schweiz nach einer angenommenen Volksinitiative mutig das Freizügigkeitsabkommen mit der EU gekündigt. Darauf hatte die EU, wie erwartet und angekündigt, ihre Guillotine in Bewegung gesetzt und konsequent alle Verträge mit der Schweiz gekündigt. Darunter selbst- verständlich auch das Landver- kehrsabkommen, das für den Transitverkehr durch die Alpen zwingend für alle die freie Wahl der Verkehrsmittel festschrieb.

Deshalb handelt nach der Fertigstellung der Neat 2017 auch die Schweiz und sperrte den Gotthard-Strassentunnel für alle Lastwagen. Sie alle mussten per Gesetz auf die Schiene, aber dieser Zwangstransport wurde sowohl für die schweizerischen als auch die europäischen Lastwagen derart massiv verbilligt, dass er für das Transportgewerbe viel billiger kam als die Fahrt durch den Strassentunnel. Für das alles war Geld im Überfluss vorhanden. Denn gleichzeitig mit der Sperrung des Strassentunnels für LKW hatte die Schweiz an den Portalen des Strassentunnels leistungsfähige Zahlstellen eingerichtet und beträchtliche Gebühren erhoben. Und die Autofahrer, die derartiges Leid aus Italien, Frankreich und Österreich und der jetzt auch eingeführten deutschen Maut gewohnt waren, seufzten zwar, doch dann zahlten sie doch für eine staufreie, umweltschonende Fahrt durch den Tunnel.

Und nicht nur dies. Gleichzeitig mit dem Start der Neat hatte die Schweiz nämlich zügig die zweite Strassenröhre am Gotthard gebohrt, die Zahlstellen vermehrt, die Gebühren für jetzt vier sichere und staufreie Spuren von Stockholm bis Reggio Calabria erhöht. Das Geld reichte sogar, um jedem Tessiner und Urner Automobilisten ein Gratis-Durchfahrtsabo an die Windschutzscheibe zu heften, den Neat-Transport fast auf null zu subventionieren und wesentlich zu verbessern und zu beschleunigen.

So herrlich war das alles an diesem feierlichen 1. August 2027, zehn Jahre nach Eröffnung der Neat.

Doch dann wurde ich am 2. August 2014 geweckt, der Traum wurde zum Albtraum. Denn jetzt erklärten mir Behörden, Verbände, Umweltschützer, Juristen und Zöllner, warum dies alles nicht möglich sei. Warum eigentlich nicht?

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