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«Wir sollten mehr Demokratie wagen»

«Bündner Tagblatt»: Lukas Horrer, es scheint, als ob die Juso Graubünden während des WEF ihre aktivste Zeit habe.Lukas Horrer, Vorsitzender der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten (Juso) Graubünden:

Südostschweiz
28.01.11 - 01:00 Uhr

«Bündner Tagblatt»: Lukas Horrer, es scheint, als ob die Juso Graubünden während des WEF ihre aktivste Zeit habe.Lukas Horrer, Vorsitzender der Jungsozialistinnen und Jungsozialisten (Juso) Graubünden: Das stimmt so nicht, die Juso ist insgesamt sehr aktiv, nicht nur während des World Economic Forum (WEF).

Weshalb die starke Aktivität gerade während des WEF?

Das WEF bietet uns eine Plattform, um zu zeigen, dass die selbsternannten «Global Lea-der» nicht die Weltenretter sind. Die Welt kann nur gemeinsam gerettet werden, wenn wir für die Gleichheit und Freiheit aller Menschen einstehen. Das WEF verkörpert exakt das Gegenteil: die Unfreiheit der Mehrheit.

Wie stellen Sie sich diese Freiheit für alle vor?

Eine würdige Freiheit wird erst durch eine Gleichheit an Freiheit gewonnen. Es muss gemeinsam Verantwortung übernommen werden – das nennt man auch Solidarität. Sie ist das Gegenteil der bürgerlichen Eigenverantwortung, die impliziert, wir seien auf einem Markt und müssten uns gegenseitig ausspielen. Gemeinsam erreichen wir mehr.

Wer heute ein Mehr an Freiheit – und dadurch auch Macht – besitzt, wird diese nicht abgeben wollen ...

Es gibt tatsächlich diese selbst ernannte Elite, die nicht bereit ist, die Freiheit zu teilen. Meiner Ansicht nach gibt es ein Mittel, das immer dann genutzt wurde, wenn einige wenige sich auf Kosten der Mehrheit viel genommen haben: Man denke an die Einführung des Frauenstimmrechts, die 68er- und 80er-Bewegung oder an den Arbeitergeneralstreik. Sie alle haben gezeigt, dass es anders geht, dass Machtgefälle nicht naturgegeben sind und durch Demokratie aufgebrochen werden können.

Würden Sie als letzten Schritt auch Gewalt gutheissen?

(lacht) Nein, niemals. Mehr Demokratie kann nur durch die Akzeptanz von demokratischen Institutionen wie beispielsweise Abstimmungen oder Wahlen gewonnen werden. Wir sollten mehr Demokratie wagen, um das Machtgefälle zu brechen.

In der WEF- Informations- und -Aktionswoche erscheint immer wieder der Aufruf, «Alternativen» zu diskutieren. Geht es um die Auffindung solcher Alternativen oder die Umsetzung bestehender Ideen?

Es geht einerseits um die Diskussion, aber auch um Umsetzungsmöglichkeiten. Es existieren verschiedene Modelle. Mein Kernanliegen ist eine stärkere Demokratisierung als Gegenentwurf zur gegenwärtigen kapitalistischen Ordnung. Das Wichtigste in dieser Woche ist jedoch, das Denken in Alternativen wieder einzuüben. Nach jahrelangem neoliberalem Einheitsbrei ist man dazu nicht mehr in der Lage.

Auf was führen Sie diese Unfähigkeit zurück?

Auf die gegenwärtige Politik, die seit Jahren nur in der Kompromiss- und Konsensfindung besteht. Dabei wird völlig übersehen, dass die Politik ein Ort ist, an dem die Menschen ihre Gefühle und ihre Identität einbringen. Wenn die Politik nur auf Kompromisse aus ist, zerfällt die Gesellschaft. Dadurch öffnen wir Rechtspopulisten den Weg, die ihrerseits die Gefühle der Menschen ansprechen. Hier müssen wir uns dem Politologentrug à la Michael Hermann widersetzen. (nol)

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