×

Ein kleines Happy End in Domat/Ems

Das ehemalige Grossprojekt der Sägerei in Domat/Ems hat neben viel Ärger auch eine Industriebrache hinterlassen. 
Mit der Hamilton findet der Standort doch noch Verwendung. Eine kurze Chronologie der Ereignisse und ein Besuch in der «Festhütte»

Südostschweiz
24.09.16 - 10:37 Uhr
La Quotidiana

von Thomas Kind und Dario Morandi


Der 27. Oktober 2007 – rückblickend ein Tag, an den sich die Bündnerinnen und Bündner mit gemischten Gefühlen erinnern. An diesem Tag eröffnete das vom österreichischen Stallinger-Konzern erbaute Grosssägewerk in Domat/Ems seinen Betrieb. Es folgte der rasche Niedergang des Grossprojekts, bei dem etwa 20 Millionen an Steuergeldern verheizt wurden.

Ein neuer Besitzer

Denkbar knapp war im November 2005 der Entscheid zur Umzonung des Gebiets Vial/Tuleu für den Bau des Sägewerks gefallen. Mit 1228:1015 Stimmen hiessen die Emserinnen und Emser das Vorhaben gut. Die Sägerei sei von grosser Wichtigkeit für den Kanton und die Gemeinde, betonte der damalige Regierungsrat Hansjörg Trachsel nach der Abstimmung.

Im April 2008 gab der Stallinger-Konzern bekannt, 25 Prozent des Sägewerks an den österreichischen Holz-Konzern Mayr-Melnhof zu verkaufen. Dies nur wenige Monate nach Beginn der Sägearbeiten. Trotz der veränderten Besitzverhältnisse planten die Verantwortlichen zusätzliche Investitionen zwischen sieben und zwölf Millionen Franken. Im darauf folgenden September übernahm Mayr-Melnhof schliesslich die restlichen 75 Prozent des Sägewerks.

Entlassungen abgewendet

Die im Vorfeld des Projekts prognostizierten Holzmengen wurden jedoch nie erreicht. In Zusammenhang mit dem damals hohen Eurokurs geriet der Konzern in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Dies führte dazu, dass das Unternehmen im März 2009 rund 20 der insgesamt 120 Stellen in Domat/Ems abbauen wollte. Nach Intervention des Kantons konnte dies jedoch abgewendet werden. Stattdessen führte der Konzern per 1. April 2009 Kurzarbeit ein.

Das Unheil nimmt seinen Lauf

Der grosse Schock folgte im Herbst 2010. Aufgrund zunehmender wirtschaftlicher Schwierigkeiten hätte die Grosssägerei saniert werden müssen – für rund 40 Millionen Franken Steuergelder vom Kanton Graubünden. Der Bündner Grosse Rat erteilte dem Vorhaben eine Abfuhr, woraufhin das Sägewerk Mitte Dezember in Konkurs ging. 120 Mitarbeiter verloren in der Folge ihre Stelle.

Im Sommer 2011 erwarb die Klausner Holz Thüringen GmbH das Sägewerk für rund 20 Millionen Franken. Das Unternehmen baute die Anlage in Ems ab und im fernen Florida wieder auf. Seitdem lag das Gelände brach. Bis gestern.

Ein neuer Anlauf

Hamilton feierte gestern den Spatenstich für ihr neues Produktionsgebäude. Der ehemaligen Brache wird dadurch neues Leben eingehaucht.

Andreas Wieland hatte gestern viele Hände zu schütteln. Sehr viele sogar. Denn der Chef der Bonaduzer Niederlassung des weltweit tätigen Life-Science- und Medizintechnik-Konzerns Hamilton liess es sich nicht nehmen, praktisch jeden Gast per Handschlag zu begrüssen. Und das wäre glatt ein Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde Wert gewesen: Denn schätzungsweise 1500 Personen waren gestern auf das Gelände der Grosssägerei in Domat/Ems gepilgert, um dem ersten Spatenstich für den Bau der neuen Hamilton-Fabrik beizuwohnen, die dort entstehen und 100 Arbeitsplätze anbieten wird.

Eine «coole Fabrik»

Parallel zum symbolischen Baubeginn wurde das 50-Jahr Jubiläum der Bündner Konzernfiliale gefeiert. Und da waren zahlreiche Gratulanten aus Wirtschaft und Politik zugegen, um Wieland und seiner Entourage die Reverenz zu erweisen. So etwa Regierungsrat Jon Domenic Parolini. Er sprach im Zusammenhang mit dem Neubau von einer «coolen Fabrik».

Glückwünsche kamen auch aus der Nachbarschaft. Genauer: Aus der Teppichetage der Ems-Chemie. Konzernchefin Magdalena Martullo bezeichnete erste Spatenstiche als «schwierige Sache». Weil bei solchen Gelegenheiten zwar alle feierten, der investierende Unternehmer aber habe den Erfolg noch nicht realisiert.

Im Fall von Hamilton gab es für sie jedoch keinen Anlass zur Schwarzmalerei. Das Bonaduzer Unternehmen sei in den letzten 50 Jahren offenbar zur Erkenntnis gelangt, «dass auch Domat/Ems ein schöner Standort ist». Und damit «die Kommunikation zwischen Bonaduz und Domat/Ems nicht nur digital läuft», wie Martullo sagte, schenkte sie Firmenchef Wieland eine Trommel aus den Beständen des Emser Tambourenvereins. «Falls Hamilton von der Bundespolitik etwas brauchen sollte, müsst ihr besonders laut trommeln. Denn in Bern findet die Industrie wenig Gehör», meinte sie.

Andreas Wieland im Interview mit TV-Südostschweiz-Reporter Rinaldo Krättli

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu La Quotidiana MEHR