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Stefanie Hablützel: «Gemeinde bleibt eine Dunkelkammer»

Als Co-Präsidentin von investigativ.ch hat sich Stefanie Hablützel für das Öffentlichkeitsprinzip starkgemacht. Das beschlossene Bündner Gesetz mit Ausklammerung der Gemeinden sei das schwächste im Land, sagt sie.

Südostschweiz
20.04.16 - 07:43 Uhr
La Quotidiana

Als Redaktorin beim «Regionaljournal Graubünden» des SRF ist Stefanie Hablützel mit den Bündner Amtsstuben bestens vertraut. Seit 2012 kämpft sie als Co-Präsidentin des Recherche-Netzwerks investigativ.ch für mehr Transparenz. Sie beklagt eine misstrauische Haltung gegenüber Journalisten, die bei einigen Gemeindevertretern anzutreffen sei.

Frau Hablützel, als Co-Präsidentin des Schweizer Recherche-Netzwerkes investigativ.ch haben Sie sich vehement für das Öffentlichkeitsprinzip eingesetzt. Was war der Grund für Ihr Engagement?
Stefanie Hablützel: In Graubünden erlebe ich das immer wieder: Wer Unterlagen haben will, steht erst einmal lange an. Oft verweisen die Behörden dabei auf das Geheimhaltungsprinzip – zu Recht, weil es bis jetzt dem geltenden Grundsatz entsprach. Das Öffentlichkeitsprinzip entspricht aber viel mehr einem modernen, zeitgemässen Staat im 21. Jahrhundert. Gerade Journalisten sind darauf angewiesen, mit Fakten statt Vermutungen arbeiten zu können. Sonst laufen sie Gefahr, von einer Seite manipuliert zu werden.

Graubünden führt das Öffentlichkeitsprinzip ein – allerdings unter Ausklammerung der Gemeinden.
Ein Öffentlichkeitsgesetz für die kantonale Ebene ist sicher besser als gar nichts. Es ist aber das schwächste Öffentlichkeitsgesetz der Schweiz. Die Ausklammerung der Gemeinden etwa kennt ansonsten nur der Kanton Uri. Gerade regionale Medien, die oft aus den Gemeinden berichten, stehen dort oft an. Man erfährt nur, was die Behörden von sich aus kommunizieren. In vielen Fällen bleibt die Gemeinde eine Dunkelkammer.

Im Grossen Rat war zu hören, Gemeindebehörden würden bereits offen kommunizieren. Kurz: kein Problem, kein Handlungsbedarf.
Ja, es ist unbequem, wenn die Bürger einem auf die Finger schauen. Bei vielen Gemeindevertretern herrscht aber noch eine paternalistische Haltung der Sorte «Wir wissen schon, was für euch richtig ist» vor. Auch wird den Medien Misstrauen gegenüber den Behörden unterstellt. Das Gegenteil ist der Fall: Das Verhalten vieler Gemeindevertreter zeugt von Misstrauen den Medien und – wichtiger noch – den eigenen Bürgern gegenüber.

Eingeschränkt wurde das Öffentlichkeitsgesetz auch in zeitlicher Hinsicht: Es gilt nur für Dokumente, die nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes verfasst werden.
Meiner Meinung nach ging es dabei darum, die Kritiker eines Öffentlichkeitsgesetzes zu besänftigen. Inhaltlich macht das keinen Sinn. Die Politik hat hier die Verwaltung vor unliebsamen Fragen zu früheren Projekten geschützt.

Welche Auswirkungen hat das neue Öffentlichkeitsgesetz auf die Arbeit der Medien?
Journalisten wie Behörden haben nun klare Richtlinien, was öffentlich ist und was nicht. Das macht die Arbeit für beide Seiten einfacher. Medien können sich nun auf Fakten statt auf Vermutungen stützen und das trägt zu einer besseren und fundierteren Berichterstattung bei. Was sich aber nicht ändert: Gemeindeversammlungen finden vielerorts weiterhin unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Und das ist ein Skandal. Interessierte können da nur auf die Gnade des Gemeindepräsidenten hoffen. (Gion-Mattias Durband)

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