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Alljährliche Abzockerei bringt das WEF in Gefahr

Die WEF-Organisation lässt einen Alternativstandort zur Durchführung des Jahrestreffens prüfen. Reto Branschi, CEO der Davoser Tourismusorganisation, warnt: In Davos müsse man sich ernsthafte Sorgen über eine Abwanderung machen, denn für das WEF sei das Mass in Sachen Preistreiberei voll.

Südostschweiz
06.04.16 - 13:15 Uhr
Politik

Wenn man jemandem den Auftrag gibt, einen anderen Kongressstandort zu suchen, dann macht man das ja nicht einfach zum Spass», gab der Davoser Landammann Tarzisius Caviezel gestern auf Anfrage zu bedenken.

Caviezel sowie Reto Branschi, CEO der Davos Destinations-Organisation, bestätigten, dass der Stiftungsrat des World Economic Forum (WEF) intern die Aufgabe erteilt hat, Ausschau nach einem möglichen Alternativstandort für die Durchführung des Jahrestreffens zu halten.

Die Ortswahl für diesen Plan B sei auf Montreux gefallen, erklärten Caviezel und Branschi übereinstimmend. Ist dieser Auftrag ein Vorbote dafür, dass das WEF abwandern könnte, ist dasJahrestreffen in Gefahr? «Wenn Davos seine Hausaufgaben nicht macht, ganz sicher. Dann besteht eine grosse Gefahr, dass das WEF geht», meinte Branschi.

Preise für Wohnungen verdoppelt

Unter «Hausaufgaben machen» fällt für Branschi die alljährlich wiederkehrende negative Thematik der Preistreiberei am WEF. Vor deren Folgen warnt er seit Langem und mit deutlichen Worten wie «das WEF wird noch immer als Milchkuh betrachtet». Offensichtlich erfolglos. Seitens der WEF-Organisation werde mit dem Plan B definitiv nicht einfach eine Drohkulisse aufgebaut, betonte Branschi: «Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht. Für das WEF ist das Mass voll.»

Er hat ein aktuelles Beispiel zur Hand, das die Wohnungsvermietung an WEF-Mitarbeitende während des Jahrestreffens betrifft. So habe sich diese Woche bei ihm ein WEF-Vertreter darüber beklagt, dass es «wahnsinnig sei, dass nun sogar private Wohnungsbesitzer ihre Preise verdoppeln würden». Caviezel umschreibt die Abzockerei so: «Es gibt in Davos ein paar Exponenten, die Butter, Confitüre, Salami, Käse und noch Rahm auf das Brot streichen.»

Dies sei der Grund, weshalb der Plan B in Auftrag gegeben worden sei . Das bedeute jedoch nicht, dass «das WEF morgen weggeht, das heisst auch überhaupt nicht, dass das WEF weggeht», betonte der Davoser Landammann.

 


Davos steht in Verhandlungen

Derzeit laufen die Vertragsverhandlungen zwischen den Davoser WEF-Zuständigen und dem WEF für die Durchführung der Jahrestreffen 2019 bis 2021. In diesen Zeitraum fällt auch das 50-Jahr-Jubiläum des WEF. Branschi ist hinsichtlich eines positiven Vertragsabschlusses zuversichtlich. Was die Durchführung des WEF in Davos in den darauffolgenden Jahren betrifft, wisse er nicht: «Das ist Kaffeesatz lesen.»

Man werde alle Hebel in Bewegung setzen, damit das WEF Davos nicht den Rücken kehrt, bekräftigte Caviezel die Bemühungen um den Erhalt. Dazu dienen soll auch eine öffentliche Veranstaltung, an der man die Bedeutung des WEF aufzeigen will. Die Frage, ob Davos jetzt in Panik ausbrechen muss, verneinte Branschi. Doch die fortgesetzte Abzockerei am WEF lässt ihn fast durch die Decke gehen: «Werdet wieder vernünftig, Gopfriedstutz.»

Keine Hinweise auf Abwanderung

Dass das WEF einen Ausweichort prüfen lässt, ist für Branschi nachvollziehbar. «Was passiert, wenn es einen Monat vor dem Jahrestreffen im Davoser Kongresszentrum brennt? Aus Sicht des WEF müssen sie sicher einen Plan B für eine Alternative haben.»

Das WEF teilte schriftlich mit: «Wir evaluieren in allen Bereichen permanent sämtliche Eventualitäten. Im Bereich Standort wird eine Studie durchgeführt, um eine mögliche Notfalloption zu evaluieren.» Dass die Wahl auf Montreux gefallen ist, wurde nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert: «Es werden verschiedene Notfalloptionen in der Schweiz evaluiert.»

Jon Domenic Parolini, Bündner Volkswirtschaftsdirektor und Vorsitzender des WEF-Ausschusses der Bündner Regierung, erklärte gestern auf Anfrage, dass ihm keine Hinweise vorliegen, dass das WEF Davos verlassen könnte: «Im Moment habe ich die Hinweise nicht. Ich hoffe, dass ich sie auch nicht erhalte und es nicht in diese Richtung geht.» (Béla Zier)

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