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Wenn der Arbeitsweg nachts zum Spiessrutenlauf wird

Die Wirte im Churer Welschdörfli sind beunruhigt. Seit geraumer Zeit häufen sich die Belästigungen ihres Personals auf dem Heimweg. Die Stadtpolizei reagiert mit mehr Präsenz.

Südostschweiz
08.02.16 - 08:07 Uhr
La Quotidiana

von Olivier Berger

Für Roland Alder ist der Fall klar. «Wir haben im Welschdörfli ein Sicherheitsproblem», sagt der Betreiber eines Cabarets auf Churs Ausgangsmeile. Belästigt, so Alder, würden nicht etwa seine Tänzerinnen, sondern das Barpersonal. «In einzelnen Fällen haben sich Mitarbeiterinnen nach dem Feierabend und dem Aufräumen nicht mehr vor die Tür getraut», sagt Alder. Betroffen seien nicht nur sein Lokal und die anderen Cabarets, sondern auch ganz normale Bars.

Das bestätigt Fritz Leuenberger, Mitinhaber der Extrabar AG, welche im Welschdörfli mehrere Lokale betreibt und betrieb. «Seit einigen Monaten höre ich von Mitarbeiterinnen, dass sie Angst haben, nach der Arbeit alleine nach Hause zu gehen. Früher war das nie der Fall.» Die Probleme gebe es übrigens weniger an den Wochenenden, wo im Welschdörfli Trubel herrscht. «Schwierig ist es vor allem von Sonntag bis Dienstag, wenn weniger Leute auf den Strassen unterwegs sind.»

«Präventiv und schneller vor Ort»

Bei der Stadtpolizei Chur würden nicht mehr Fälle von Belästigungen gemeldet als früher, erklärt dagegen Kommandant Ueli Caluori. Er bestätigt aber auch, dass die Belästigungen beim jährlichen Treffen von Stadtpräsident, Stadtpolizei und Welschdörfli-Wirten ein Thema waren. «Wir behalten die Entwicklung im Churer Nachtleben ohnehin immer im Auge und zeigen in letzter Zeit auch verstärkt Präsenz in der ganzen Innenstadt.» Dabei gehe es um zwei Punkte. «Einerseits wirkt das präventiv, und andererseits sind wir schneller vor Ort, wenn es Zwischenfälle gibt.»

Letzteres bestätigt auch Gastronom Alder. Bei ihm habe erst kürzlich eine grössere Gruppe von Männern aus Nordafrika für Unruhe gesorgt und versucht, das Serviceportemonnaie zu stehlen. «Die Polizei war blitzschnell vor Ort», sagt Alder. «Da muss man der Stadtpolizei ein Kränzchen winden.» Auch am jährlichen Gespräch hätten die Churer Behörden sehr gut reagiert. «Sie haben viel Verständnis für unsere Anliegen gezeigt», betont Alder.

Neben mehr Polizeipräsenz haben die Welschdörfli-Wirte aber noch ein anderes Anliegen. «Ein Problem ist, dass gerade an den ruhigeren Abenden keine Taxis für unsere Mitarbeiterinnen mehr fahren», erklärt Alder. Die Wirte wünschen sich deshalb, dass die Stadt bei den Inhaberinnen und Inhabern der sogenannten A-Taxi-Konzessionen vorstellig wird. «Ideal für uns wäre, wenn rund um die Uhr mindestens ein Taxibetreiber so etwas wie einen Pikettdienst hätte», erklärt Alder. Heute müssten die Gastro-Mitarbeiterinnen in der Nacht teilweise zu Fuss nach Hause. «Es ist auch schon vorgekommen, dass ihnen dabei Männer bis vor die Haustüre gefolgt sind.»

Die Stadt verschliesst sich diesem Ansinnen nicht, wie Stadtpräsident Urs Marti betont. «Das ist für uns eine Aufgabenstellung, die wir anschauen werden.» Allerdings könne er als Stadtpräsident eine solche Lösung nicht einfach anordnen. Es sei der Stadt aber ein grossen Anliegen, die Qualiät der Churer Taxis zu erhalten, so Marti.

Das Personal sensibilisiert

Die Stadtpolizei hat ihr Personal nach den Übergriffen von Silvester in Köln und anderen Städten verstärkt für das Thema Belästigung sensibilisiert, wie Kommandant Caluori erklärt. «Wir bewegen uns dabei aber auf schwierigem Terrain. Wir wollen nichts bagatellisieren, aber auch keine unnötigen Ängste schüren.» Gleich sieht es auch Caluoris oberster Dienstherr, Stadtpräsident Marti. «Im Moment setzen wir vor allem auf Vorbeugung, zum Beispiel eben durch mehr Präsenz.» Es sei klar, dass die Stadt nach den Vorfällen in Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne. «Unsere Botschaft ist im Moment, dass wir es in Chur gar nicht so weit kommen lassen wollen.»

Klar sei, so Polizeikommandant Caluori, dass es vor allem bei tätlichen Über- und Angriffen für die Stadt- behörden nur eine einzige Strategie gebe. «Da herrscht bei uns Nulltoleranz», betont er. «Und das unabhängig davon, ob es sich bei den Tätern um Churer, Bündner, Schweizer, Europäer oder Männer aus Afrika handelt.»

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