×

Das lange Warten auf die Fusionsenergie

Mit dem Pariser Klimaabkommen sind ehrgeizige Ziele gesetzt worden. Eine Möglichkeit für die Nutzung emissionsfreier Energiequellen wären Kernfusionsreaktoren. Bis diese wirtschaftlich genutzt werden können, müssen allerdings noch zahlreiche Hürden übersprungen werden.

Südostschweiz
13.01.16 - 11:00 Uhr
La Quotidiana

von Elke Bunge

Es sei ein historisches Abkommen, hiess es seitens der politisch Verantwortlichen, die Mitte Dezember den Pariser Klimavertrag unterzeichneten. Dabei hatten sich Industrie- und Entwicklungsländer erstmals geeinigt, den Kampf gegen den Klimawandel aufzunehmen und das ehrgeizige Ziel festgeschrieben, die bodennahe Erderwärmung nicht über 1,5 Grad Celsius gegenüber dem Niveau der vorindustriellen Zeit ansteigen zu lassen. Dies soll vor allem mit einer drastischen Reduktion des CO2-Ausstosses gelingen.
 
Die grosse Herausforderung liegt in der Ablösung fossiler Energiequellen und dem Schaffen der benötigten Energie durch alternative Quellen. Nebst Wind, Sonne und Wasser wird dabei auch die Energiegewinnung aus Kernfusionskraftwerken in Erwägung gezogen.
 
Hoffnungsträger seit 60 Jahren
 
Die Sonne ist die Grundlage allen irdischen Lebens: Der riesige Plasmaball besteht überwiegend aus Wasserstoff, in dessen heissem Inneren ein beständiges Fusionsfeuer brennt. Dabei verschmelzen Wasserstoffatomkerne zu Helium. Die bei dieser Kernfusion erzeugten gewaltigen Energien erwärmen und beleuchten auch die Erde. Ziel der Fusionsforschung ist es, diesen Sonnenofen auf der Erde in kleinem Massstab nachzubauen. Unter irdischen Bedingungen verschmelzen am leichtesten die beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium zu Helium und einem Neutron unter Freiwerdung grosser Mengen nutzbarer Energie. Ein Gramm Brennstoff könnte in einem Kraftwerk 90 000 Kilowattstunden Energie erzeugen – die Verbrennungswärme von elf Tonnen Kohle.
 
Die Idee, Kernfusion für die Energiegewinnung zu nutzen und einen Fusionsreaktor zu bauen, besteht seit den Fünfzigerjahren. Industrieländer arbeiten seitdem an der Entwicklung dieser Technologie.  Die fortschrittlichsten, aktuell im Bau befindlichen Testreaktoren sind der Iter (International Thermonuclear Experimental Reactor) in Südfrankreich und der «Wendelstein 7-X» im nordostdeutschen Greifswald. Die internationale Testanlage Iter, ein sogenannter Tokamak-Reaktor, soll zunächst die Tauglichkeit dieser Kraftwerke der Zukunft beweisen. Dabei handelt es sich um ein gemeinsames Forschungsprojekt der sieben gleichberechtigten Partner Europäische Atomgemeinschaft, Japan, Russland, China, Südkorea, Indien und USA.
 
Noch ein langer Weg
 
Die Anlage «Wendelstein 7-X» liefert Erkenntnisse, die in den Betrieb von Iter eingehen. Mit einem sogenannten Stellarator, einer ringförmigen Anlage, verfolgt das Experiment eine neue Technologie, die zukünftigen Fusionskraftwerken einen Dauerbetrieb ermöglichen soll. Das derzeitige Forschungsziel ist die Erzeugung und Aufrechterhaltung heisser Wasserstoffplasmen. Die eigentliche Kernfusion, die mit einer positiven Energiebilanz ablaufen soll, ist dann in dem seit 2007 noch im Bau befindlichen Fusionskraftwerk Iter geplant.
 
Die Ergebnisse von Iter sollen schliesslich in das erste eigentliche Fusionskraftwerk Demo eingebracht werden, welches ab 2050 Strom erzeugen könnte und erst dann die kommerzielle Nutzbarkeit der Kernfusion nachweisen würde.
 
Kosten in Milliardenhöhe
 
Das ist ein langer Weg für ein waghalsiges Projekt. Die enormen Kosten – allein für den Bau der Grossversuchsanlage Iter werden sie auf 16 Milliarden Euro geschätzt, von denen die EU-Teilnehmer 7,2 Milliarden zu zahlen hätten – lassen über Alternativen wie effektivere Windparks und Solarenergiequellen nachdenken. Zudem sind die Kernfusionsreaktoren nicht risikofrei: Der Aufprall der freiwerdenden Neutronen auf die Gehäusewand lässt diese radioaktiv werden. Zudem verspröden die Wandbestandteile und müssten etwa alle sieben Jahre ausgetauscht werden – es bleibt radioaktiver Müll, der wenigstens 100 Jahre sicher gelagert werden müsste.
 
Wie funktioniert die Kernfusion?

Die schweren Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium verschmelzen bei der Kernfusion zu Helium. Um eine derartige Reaktion zu initiieren, müssen Reaktionstemperaturen von bis zu 150 Millionen Grad erreicht werden. Bei diesen Temperaturen trennen sich Elektronen und Atomkerne voneinander und bilden das Fusionsplasma. Dieses wird im Reaktor durch ein starkes magnetisches Feld eingeschlossen.

Bei geeignetem Druck kann jetzt die Kernfusion stattfinden. Dabei entsteht aus den beiden Isotopen das Element Helium sowie ein Neutron. Das ungeladene Neutron kann den magnetischen Käfig verlassen und schlägt mit enormer Energie gegen die Reaktorwand. Dadurch wird die Wand des Plasmagefässes aufgeheizt. Diese Wärme wird in Dampf umgewandelt, der in eine Dampfturbine gelangt und dann Strom erzeugt.
 

 

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu La Quotidiana MEHR