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In vino veritas – von der Traube zum edlen Tropfen

Trinken kann ihn jeder. Machen nicht. Monika Gauer ist eine passionierte Rebbäuerin aus Sargans. Vor zwei Jahren hat sie ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht – und lernt seither von Tag zu Tag.

Südostschweiz
25.10.16 - 08:27 Uhr

von Gianna Bärtsch

«Ich wollte eine Veränderung und etwas Neues anpacken», erklärt Monika Gauer und greift nach ihrer Teetasse. Frischer Kräutertee. Sie nimmt einen Schluck. Ihre Augen leuchten.

Vor zehn Jahren hat sich die ehemalige Gemeinderätin von Sargans zum ersten Mal dem Rebbau gewidmet. Damals noch mit drei kleinen Weinbergen – nebenbei als Hobby. Heute darf sie 35 Aren ihr ganz persönliches Traubenreich nennen. «Im Vergleich zu anderen, bin ich jedoch immer noch sehr klein», meint Monika Gauer. Doch ihre Leidenschaft ist gross.

Ihre Passion für den Weinbau kommt nicht von ungefähr. Als gelernte Gärtnerin hatte sie während ihrer Lehre täglich mit Pflanzen zu tun. Dort habe sie das Handwerk gelernt. «Das war der Grundstein», ist sich die Rebbäuerin sicher.
Anfangs 2015 hat Monika Gauer ihr Hobby zum Beruf gemacht und widmete sich von da an voll und ganz der Weinkultivierung. Diesen Schritt zu wagen und den Entscheid zu treffen, sei nicht einfach gewesen. «Es hat Zeit gebraucht, der Entscheid musste heranreifen», sie wirkt nachdenklich aber überzeugt. Um ihr Wissen und Handwerk schliesslich weiterentwickeln zu können, wollte sie für eine längere Zeit in die Westschweiz und ins Tessin gehen. Doch das Schicksal hatte einen anderen Plan: Sie erhielt ein Angebot, einen Rebberg hinter dem Schloss Sargans zu übernehmen. Ablehnen war keine Option, doch: «Es ging alles schneller als erwartet. Plötzlich hatte ich 900 Kilogramm Trauben zu verarbeiten», erzählt Monika Gauer.

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Der Jahreskalender einer Rebbäuerin

Eigentlich würde die Sarganserin ihre Blauburgunder und Müller-Thurgauer gerne vollständig biologisch produzieren. «Doch leider fehlt mir derzeit noch das Wissen dazu», erklärt sie. Trotzdem möchte sie möglichst wenig Chemie einsetzen, ganz nach dem Motto: «So wenig wie möglich, so viel wie nötig».

Als Rebbäuerin ist das ganze Jahr etwas zu tun: Im Februar, März und April werden die Reben geschnitten, die Anlage in Stand gehalten und wenn nötig repariert und ausgebessert. Je nach Witterung wird im April und im Mai ein erstes Mal gemäht und Doppeltriebe entfernt. Zirka Mitte Juni ist Blütezeit, jetzt sollte es möglichst trocken sein. Bei anhaltender Nässe verblühen die Blüten nämlich schlecht – und weniger Beeren bedeutet weniger Wein. Im Mai, Juni, Juli werden die Triebe eingeschlauft, ein erstes Mal die Menge reduziert, das Gras geschnitten und die Traubenzone ausgelaugt. Mitte August ist Zeit zum einnetzen, denn die süssen Trauben werden sonst gerne von Vögeln, Füchsen oder Rehen angeknabbert. «Eine kurze Randreihe lasse ich jeweils für die Tiere offen, damit sie auch etwas von den Trauben haben», erklärt Monika Gauer und lacht.
Doch ein spezielles Tier, ein speziell kleines, hat dieses Jahr viele Winzer nervös gemacht: die Kirschessigfliege. Die Bekämpfung war zeitaufwändig und nervenaufreibend. Das Problem sei, dass man befallene Trauben optisch kaum unterscheiden könne, doch der starke Essiggeruch verrate sie. Deshalb müsse man beim Trauben lesen besonders sorgfältig sein und alle Befallenen eliminieren. «Wir haben mit allen Sinnen gewimmelt und Traube für Traube gemustert und aussortiert», so die Rebbäuerin, «das war sehr aufwendig».

Auf Schädlinge folgen Naturgewalten

Doch nicht nur Schädlinge machen das Leben eines Winzers schwer, vor allem das Wetter stellt alle Weinbauern immer wieder vor eine grosse Herausforderung. «Wir sind dem Wetter regelrecht ausgesetzt», immer wenn sich der Himmel gelb färbe, werde sie nervös und tigere durch das Wohnzimmer. «Es ist nervenaufreibend, wenn man nicht weiss, ob gerade die ganze Ernte durch den Hagel kaputt geht.» Doch das Glück war auf ihrer Seite.
Zusammen mit ihren Wimmlerkolleginnen hat sie dieses Jahr innerhalb von vier Tagen knapp drei Tonnen Trauben gelesen. Natürlich sei es vor allem körperlich sehr anstrengend, aber der gesellschaftliche Aspekt mache alles wieder wett. Während dem Wimmeln werde geplaudert, verköstigt und gesungen. «Vor allem dann, wenn wir wieder ein ganzes Nest, welches von den tückischen Kirschessigfliegen befallen war, wegwerfen mussten», erzählt die Weinbäuerin und lacht.

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Keltern - eine Frage der Zeit

Für die weitere Weinproduktion übergibt Monika Gauer das Zepter, respektive ihre Trauben, den Bio-Weinbauern von «Bosshart + Grimm» in Berschis.
«Wenn die Traubenkisten von Monika Gauer bei uns ankommen, wägen wir sie und prüfen nochmals, ob es von Kirschessigfliegen befallene Trauben hat», erklärt Winzermeister Bruno Bosshart. Hinter ihm rattert eine laute Maschine. «Hier werden gerade die Trauben abgebeert. Also die Stile werden von den Trauben getrennt», erklärt er. Gleichzeitig werden die Trauben von derselben Maschine zerquetscht, im Fachjargon wird dies einmaischen genannt. Schliesslich landen sie in einem Auffangbehälter. «Das ist reiner Traubensaft», Bruno Bosshart holt ein Glas und taucht es in die Traubenmasse. Sie ist trüb, die Farbe undefinierbar.
Der Winzermeister geht durch eine offene Türe in den nächsten Raum. Ein stechender Geruch aus Wein und Hefe benebelt die Sinne. «Wir haben uns an den Duft gewöhnt», witzelt er. Links und rechts von ihm stehen Maschinen und Kunststoffbehälter. Der Raum ist klein, verwinkelt und führt in weitere Kammern. Bruno Bosshart stellt sich neben einen grossen Roten Behälter mit der Aufschrift «Pinot Noir 2, 2016, Sargans M. Gauer» und nimmt den Deckel weg. «Hier gären die eingemaischten Trauben», erklärt er mit einer ruhigen Stimme. Der Zucker wandelt sich in Alkohol und Kohlensäure. Letzteres lässt die Traubenhaut und ihre Kerne oben schwimmen. Bosshart nimmt das Sieb in die Hand und drückt kräftig nach unten – der pinkfarbene Saft fliesst durch die Löcher des Siebes. «Die Maische muss jeden Tag mehrere Male mit dem Saft getränkt werden, damit alles genug feucht bleibt», betont der Winzermeister. Der Gärprozess sei dann vollendet, wenn der Zuckergehalt, auch Oechsle genannt, auf Null oder unter Null sei, erklärt Philipp Bosshart, ein Bosshartsohn. Die Maische von Monika Gauer stehe bereits seit sechs Tagen, am Tag darauf werde gepresst, erklärt Phillipp weiter.

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Die Maische wird mehrmals pro Tag mit dem eigenen Saft getränkt - Bruno Bosshart macht es vor.

Der Pressprozess dauert zwei bis drei Stunden. Die Maschine dazu befindet sich im gleichen Raum. «Mit dieser Maschine können wir schonender pressen als früher, denn der Druck wird gleichmässig auf die ganze Fläche verteilt», argumentiert Bruno Bosshart. Es zischt, die Maschine dreht sich. Unten tropft der klare Saft in ein Becken. Tropfen für Tropfen.
Nach dem Abpressen kommt es zu einer zweiten Gärung in einem grossen Tank. Bruno Bosshart winkt in einen anderen Raum. «Hier muss wieder die Kohlensäure oben entweichen können», erklärt er. Nach dem zweiten Gärungsprozess wird der Saft der Trauben von Monika Gauer in ein Holzfass, einem sogenannten Barrique, abgefüllt. Dort reift er für gut neun Monaten. «Das Holz hat eigene Gerbstoffe, welche es dem Wein abgibt. Auch die süssliche Vanillin-Note ist vom Holz – deshalb ist der Reifungsprozess sehr vorteilhaft im Barrique», bemerkt er und streift mit den Fingern über das Fass.

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Die fast fertigen Weinflaschen von Monika Gauer - nur noch die Etiketten fehlen.

Ein Genussmittel geht über die Ladentheke

Nach neun Monaten reifen und ruhen, wird der Wein in die einzelnen Flaschen abgefüllt – und die Rebbäuerin aus Sargans kann ihn abholen. «Auch wenn ich meinen eigenen Wein noch so gern trinke. Ich habe mittlerweile so viel davon, den könnten meine Familie und ich schlicht nicht mehr selber trinken», witzelt Monika Gauer. Deshalb verkauft sie seit diesem September ihren Wein im eigenen Onlineshop und in einem kleinen Laden im Städtchen von Sargans. Zusammen mit einer Freundin hat sie ein Geschäftsmodell entwickelt: «Filzkunst trifft auf Weingenuss», auf ihren Lippen zeichnet sich ein Lächeln. «Die Resonanz war bis jetzt sehr positiv, die Leute schätzen, was wir machen», erzählt sie und schenkt eine weitere Tasse Kräutertee ein. Unendlich wachsen wolle sie nicht. Ihr Ziel sei viel simpler: «Ich will ehrlichen Wein machen». (bag)

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