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Historiker tun sich schwer mit Morgarten

Über die Schlacht am Morgarten, die sich dieses Jahr zum 700. Mal jährt, ist nicht viel bekannt. Ein Symposium in Goldau hat am Samstag versucht, verschiedene Sichten auf das symbolträchtige Ereignis zu werfen und eindeutige Interpretationen zu vermeiden.

Südostschweiz
25.01.15 - 16:43 Uhr

Goldau/Morgarten. - Am 15. November 1315 zog Herzog Leopold von Habsburg mit seinem Gefolge von Zug durch das Ägerital Richtung Sattel. Dabei wurde er von den Schwyzern überfallen und in die Flucht geschlagen.

Viel mehr ist nicht bekannt. Dennoch wurde später, vor allem ab dem späten 19. Jahrhundert, die Schlacht am Morgarten zu einem wichtigen Symbol für den Kampf der heldenhaften Urschweizer gegen die Unterdrücker aus Österreich, und sie prägte das schweizerische Selbstverständnis.

Schlachtenjubiläen werden auch heute politisch vereinnahmt. Der Kongress versuchte dagegen, nach verschiedene Erklärungen zu den Vorgängen vor 700 Jahren zu suchen. Jürg Schmutz vom mitorganisierenden Historischen Verein Zentralschweiz sagte: «Hütet euch vor der sogenannt richtigen Ansicht.»

Eine am Kongress vorgestellte andere Sicht als die traditionell-eidgenössische war die des «Erzfeindes» Habsburg. Alois Niederstätter vom Landesarchiv Voralberg legte dar, dass die Schlacht am Morgarten in der habsburgischen Geschichtsschreibung keine Rolle gespielt habe, dies im Gegensatz zur Schlacht von Sempach von 1386, bei der Herzog Leopold starb.

Eine Schlacht mit einem toten Herzog gebe propagandistisch mehr her als eine peinliche Niederlage, erklärte Niederstätter. Sempach habe für die Habsburger als Exempel für den eidgenössischen Expansionsdrang dienen können.

In der Schweiz erhoben erst spätere Generationen die Schlacht zum einschneidenden Ereignis. Rudolf Gamper, langjähriger Bibliothekar der Vadianischen Sammlung St. Gallen, erklärte, dass erst im 16. Jahrhundert Morgarten zum Ort der eidgenössischen Gründungsgeschichte geworden sei.

Trotz der dürren Faktenlage steht fest: «Morgarten hat stattgefunden», wie die Berner Geschichtsprofessorin Regula Schmid sagte. Umstritten ist aber, welcher politische Konflikt zur Schlacht geführt hat. Schmid stellte drei in der Forschung diskutierte Thesen vor, die indes kaum miteinander versöhnt werden könnten.

Je nach Lesart der Schlacht wäre Leopold aufmarschiert, um Präsenz zu markieren, Rache zu üben oder den Gegner nachhaltig zu schädigen. Der Zürcher Militärhistoriker Hans Rudolf Fuhrer stellte sich auf den klassischen Standpunkt, dass die Habsburger die Schwyzer hätten bestrafen wollen.

Bei dieser Bestrafung ging es um das Kloster Einsiedeln, das mit der Talschaft Schwyz in einem langjährigen Grenzstreit («Marchenstreit») lag. 1314 überfielen Schwyzer das Kloster. Der Historiker Andreas Theo Meyerhans zeigte auf, dass Einsiedeln als Adelskloster überregionale Beziehungen pflegte und die Schwyz somit tatsächlich auch überregionale Interessen tangiert habe.

Neue Sichten auf Morgarten liefern können auch naturwissenschaftliche Ansätze. Der Geograph Markus Egli untersuchte das Schlachtgebiet. Seine Erkenntnisse über die damalige Ausbreitung des Ägerisees und die Moore können Hinweise auf die mögliche Marschroute der Habsburger liefern.

Der Archäologe Jakob Obrecht untersuchte die Reste der Landwehrmauer («Letzi») bei Morgarten. Er stellte fest, dass sich diese nicht genau datieren lasse. Er vermutet, dass sie aber erst nach der Schlacht gebaut worden ist.

Die Historikerin Beatrice Sutter wies darauf hin, dass das Erinnern an die Schlacht ebenfalls zu Konflikten geführt hatte, nämlich zwischen Zug und Schwyz, in deren Grenzgebiet Morgarten liegt. Die Schwyzer störten sich daran, dass die geschäftstüchtigen Zuger 1908 aus touristischen Gründen am Gedenkort ein Denkmal errichteten und diesen zum «2. Rütli» aufbauten.

Bei den 600-Jahrfeiern im Kriegsjahr 1915 organisierten die beiden Kantone sogar getrennte Feiern. Es brauchte eine bundesrätliche Intervention, um den freundeidgenössischen Frieden wieder herzustellen. (sda).

Bericht im «Boten» vom Montag

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