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Christoph Meier: «Ich bin nur taub, nicht dumm»

Christoph Meier ist gehörlos: Er möchte Töffmechaniker lernen. Die «Südostschweiz» hat einen jungen Mann besucht, den Vorurteile und Ängste mehr behindern als seine tauben Ohren.

Südostschweiz
25.12.11 - 16:30 Uhr

Von Pierina Hassler

Chur. – Stolz zeigt Christoph Meier seine Königspython Louis, seine drei Geckos Lara, Lisa und Lena und eine noch namenlose Vogelspinne. Die Weisse Schäferhündin Saphira drängt sich aufgeregt zwischen Meier und seinen Besuch. Und von den vier Katzen ist nur eine daheim. «Die anderen drei sind draussen», sagt Meier.

Würde man es nicht wissen, niemand käme auf die Idee, dass der junge Mann gehörlos ist. Er liest perfekt von den Lippen. Seine Stimme, seine Aussprache – rein gar nichts deutet darauf hin, dass die Welt um ihn sehr still ist. Als einjähriges Kind erlitt Meier eine Hirnhautentzündung. Mit viel Glück wurde zwar alles wieder gut – ausser dass die Ärzte seine Mutter vor eventuellen Spätfolgen warnten.

Hörsturz und Lehrabbruch

Meier absolvierte die Schule und begann eine Lehre als Elektromonteur. Alles verlief ganz normal. Meier war ein gesunder junger Mann. Bis zu seinem 18. Lebensjahr. Im Ausgang schrie ihm ein Kollege etwas ins Ohr. «Ich verspürte schreckliche Schmerzen», erzählt Meier. Er erlitt einen Hörsturz und bekam zwei Hörgeräte. Die Lehre als Elektromonteur musste er abbrechen, auf der Baustelle war es für ihn zu laut und zu gefährlich.

Meier fand im zürcherischen Höri eine Lehrstelle als Töffmechaniker und besuchte die Berufsschule in Winterthur. «Ich hatte meinen Traumjob gefunden», sagt er. «Später hätte ich mich trotz Behinderung selbstständig machen können.»Aber es kam alles anders. Meier hatte erneut einen Hörsturz. Mit knapp 21 Jahren war er auf dem linken Ohr taub.

Träume und Motoren

Eine Ärztin der Invalidenversicherung legte ihm nahe, seine Lehre als Töffmechaniker abzubrechen. Ohne Ausbildung wollte er aber nicht dastehen. Er liess sich in seiner dritten Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt ausbilden. Nach einem halben Jahr konnte Meier wegen seiner Behinderung dem normalen Unterricht in der Berufsschule nicht mehr folgen. Er wechselte an die Berufsschule für Hörgeschädigte in Winterthur. Im dritten Lehrjahr kam es erneut zu einem Hörsturz – jetzt ist Meier taub.

Trotz seiner Gehörlosigkeit beendete er die Ausbildung mit Bravour. «Ich machte schweizweit die drittbeste Prüfung.» Aber Meier träumt immer noch vom Töffmechaniker. Er hat flinke Hände und ein Gespür für Motoren. Er will die abgebrochene Lehre unbedingt fortsetzen und abschliessen. Ein schwieriges Unterfangen, denn nicht alle Betriebe wollen behinderte Menschen anstellen. Meiers Mutter formuliert es so: «Viele meinen, Hörverlust sei gleichbedeutend mit Intelligenzverlust.»

Ängste und Vorurteile

Urs Laubscher ist Job Coach bei der Pro Infirmis. Er weiss, wie schwierig es ist, körperlich oder geistig behinderte Menschen ins Berufsleben zu integrieren. Laubscher kümmert sich um die Eingliederung dieser Menschen in den normalen Arbeitsmarkt. Er unterstützt auch Meier. «Ängste, Vorurteile, bauliche Massnahmen oder fehlendes Wissen über Unterstützungsmassnahmen lassen die Verantwortlichen zögern», sagt er.

Christoph Meier hofft, dass sein Traum von der Lehre als Töffmechaniker in Erfüllung geht. Als Weihnachtsgeschenk vielleicht. Denn Meier ist intelligent, flink, charmant – Meier ist nur taub.

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