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Bündner Gemeindefusionen bedrängen das Rätoromanische

In Graubünden ist unter den Gemeinden ein regelrechter Fusionsboom ausgebrochen. Dabei gerät das Rätoromanische weiter unter Druck. Nun wehren sich die romanischen Sprachorganisationen.

Südostschweiz
21.08.14 - 17:44 Uhr

Chur. – Als problematisch empfunden werden anstehende Fusionen im Albulatal, Oberhalbstein und im Unterengadin, wie die Sprachverbände Lia Rumantscha und die Uniun Rumantscha Grischun Central am Donnerstag mitteilten.

Die Ausgangslage ist in den drei Talschaften vergleichbar: Mehrere romanische Gemeinden fusionieren mit ein bis zwei deutschsprachigen Gemeinden. Daraus entsteht gemäss der kantonalen Gesetzgebung und der geltenden Auslegungspraxis eine zweisprachige Gemeinde.

«Die Erfahrung mit den jüngsten Fusionen hat gezeigt, dass sich in zweisprachigen Gemeinden mittelfristig das Deutsche durchsetzt», sagte Andreas Gabriel, Mediensprecher der Lia Rumantscha, auf Anfrage.

Deutsch verdrängt Romanisch

Die Verdrängung des Romanischen finde selbst bei solchen Fusionen statt, bei denen die Anzahl der Rätoromanen weit grösser sei, als jene der deutschsprachigen Einwohner. Da alle Romanen auch Deutsch sprechen, aber nur die wenigsten Deutschsprachigen Romanisch, werden laut Gabriel Gemeindesitzungen in deutscher Sprache gehalten, Protokolle und Mitteilung auf Deutsch verfasst.

Mit der Zeit wirke sich die Situation auf den Sprachunterricht in der Schule aus. Und dieser sei zentral für das Überleben des Romanischen. Die Gemeindefusionen würden also einen Dominoeffekt zu Ungunsten der Minderheitensprache auslösen.

Um diesen Effekt zu entschärfen, fordern die Sprachorganisationen die Kantonsregierung auf, ihre Praxis bei Gemeindefusionen zu ändern. Verschiedene Gesetze, insbesondere das Sprachgesetz und die Kantonsverfassung müssten bei Fusionen stärker zu Gunsten des Romanischen ausgelegt werden.

Juristische Lösung

Das tönt einfach, ist es aber nicht. Die Lösung, welche den Sprachorganisationen vorschwebt, ist für Nicht-Juristen schwer nachvollziehbar.

So sollen bei gemischt-sprachigen Fusionen auch in Zukunft zweisprachige Gemeinden entstehen. Das Gebiet der romanischen Gemeinden soll aber nach dem Zusammenschluss weiterhin als sogenanntes «angestammtes romanisches Territorium» gelten und nicht wie heute üblich zu einem «zweisprachigen Territorium» werden.

Diese Unterscheidung wirkt sich laut Gabriel wiederum auf das Sprach- und das Schulgesetz aus, und die Position des Romanischen werde weniger geschwächt. «Es geht uns darum, dass man durch politische Entscheide keine Sprachgrenzen verschiebt», fasst Gabriel das Anliegen der Sprachorganisationen zusammen. (sda)

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