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Erinnerungen an Peking 2008

Lars Forster aus Jona wurde als letzter Schweizer Biker selektioniert und startet im Schatten Nino Schurters frei vom Rummel. Ein Diplom liegt dennoch drin.

Südostschweiz
18.08.16 - 17:44 Uhr
Sport

von Kristian Kapp

Lars Forster wusste schon früh, wohin die Reise gehen soll: «In der 4. Primarklasse füllten wir alle Steckbriefe aus. Unter ‚Ziele’ schrieb ich ‚Bikeprofi.’ Das Portrait hängt heute noch in meinem Zimmer.» Und jetzt, knapp 13 Jahre später, mit 23, wird er in zwei Tagen, am Sonntag, an den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro starten. Das rasante Tempo, die Erfolge bereits als U23-Fahrer und nun die frühe Nominierung für Olympia. Das erinnert irgendwie an jenen Fahrer, in dessen Schatten Forster nun in Rio steht: Nino Schurter, der am Medientag belagert wird, während Forster, der Rookie, sich das Treiben im olympischen Medienzentrum in Ruhe betrachten kann. Ob das so bei der Premiere vielleicht besser sei für ihn, ohne den ganzen Rummel, wird Forster gefragt. Er verzieht den Mund zu einem breiten Grinsen und sagt: «Ich weiss es nicht. Ich kenne den Rummel nicht. Noch nicht.»

«Das wäre ein Traum»

Der Vergleich mit Schurter. «Wie ist das gemeint?» fragt Forster etwas verlegen. Und klar, noch ist er zu hoch gegriffen. Der Bündner ist fünffacher Weltmeister, zweifacher olympischer Medaillengewinner. Aber diese Episode 2008, als Schurter als U23-Fahrer in Peking Eliteathleten vorgezogen wurde und dies mit dem sensationellen Gewinn von Bronze dankte, ähnelt der Selektion Forsters für Rio: Erneut wurde bei der Wahl des dritten Schweizer Fahrers ein aufstrebender Junger den Routiniers vorgezogen. «Okay», sagt Forster, «aber eine Medaille? Das wäre ein Traum. Da müsste für mich alles perfekt aufgehen und gleichzeitig ein paar andere einen schlechten Tag erwischen.» Das sei zwar kein unmögliches Szenario, sagt Forster. «Aber trotzdem komme ich jetzt nicht hierher und sage: ,Ich will eine Medaille.’» Forster hat 2016, in seiner Debütsaison bei der Elite, bereits Top-5-Klassierungen realisiert. «Und ich fühle mich derzeit auf einem eher höheren Niveau als bei jenen Rennen», sagt er und macht die simple Rechnung: «Mit etwas Rennglück ist ein Diplom, ein Platz in den Top 8, also möglich.»

Julien  Absalons Teamkollege

Forster stammt, wie Schurter auch, aus einer Mountainbikefamilie. Das Ziel Profi kommt nicht von ungefähr. Vater Sepp war Marathonfahrer, «und mein erster Star», sagt Forster. Entsprechend früh sei er auf ein Fahrrad gesetzt worden. Später habe er Thomas Frischknecht, heute Schurters Teamchef bei Scott Odlo, bewundert, die beiden sind mittlerweile gute Kollegen, mit dessen Sohn, dem 22-jährigen Andri, trainiert Forster regelmässig. Doch trotz des Blickes hoch zu Frischknecht: Forster feierte seine erste Erfolge auf der Strasse und im Radquer, dort, wo er auch heute noch in der Schweiz einer der Allerbesten ist und als Junior gar Weltcupsiege einfuhr. «Da aber Cross Country olympisch ist, habe ich dann aufs Bike gesetzt.»

Am Mittwoch ist Forster zusammen mit der Schweizer Bikedelegation ins Olympiadorf gezügelt, nachdem sie zuvor eine Woche ausserhalb Rios Quartier bezogen hatte. Die Distanz sei gar nicht so schlecht gewesen, sagt Forster. Die Gefahr, bei der ersten Teilnahme vom Monster Olympia überwältigt zu werden, wurde so gebannt. «Die Distanz half. Zudem rückten wir zuvor in unserem eigenen Lager noch näher zusammen.» Als Team antreten, das Schurter auf dem Weg zu Gold hilft, könnte zu einem möglichen Szenario werden, sagt Forster. «Wir haben aber viele verschiedene Szenarien besprochen. Vielleicht trifft eines im Rennen ja ein.»

Zu einem der Hauptkonkurrenten Schurters im Kampf um Gold pflegt Forster ein besonderes Verhältnis: Der Franzose Julien Absalon, eine der grössten Legenden des Cross-Country-Sports, ist bei BMC Teamkollege Forsters. «Das ist cool. Auch wenn er ein ganz normaler Typ ist. Seine Popularität vor allem in seiner Heimat ist unglaublich. Du erlebst dort mit ihm Szenen, die im Bikesport sonst nicht üblich sind.» Im Team erfahre er dieselbe Betreuung wie der zweifache Olympiasieger, sagt Forster – wobei das nicht ganz stimme, wie er schmunzelnd anfügt: «Vor dem Rennen gibt’s für Julien immer Reis. Und für mich Pasta.»

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