×

Tour de France mit vier Favoriten

Heute startet in Utrecht (Ho) die Tour de France. Die 22-tägige Reise Richtung Paris kennt primär vier Favoriten: Alberto Contador, Chris Froome, Vincenzo Nibali und Nairo Quintana.

Südostschweiz
04.07.15 - 07:25 Uhr
Sport

Der Italiener Nibali (2014), der Brite Froome (2013) und der Spanier Contador (2007 und 2009) haben die Tour schon mindestens einmal gewonnen. Quintana (25) belegte vor zwei Jahren in der Jubiläums-Rundfahrt hinter Froome (30) den 2. Rang. Auch der kolumbianische Kletterspezialist hat jedoch schon eine dreiwöchige Rundfahrt für sich entschieden: 2014 den Giro d'Italia.

Heuer triumphierte in Italien Contador, der als erster Fahrer seit 1998 (Marco Pantani) das Double aus Giro und Tour schaffen will. "Ein weiterer Tour-Sieg würde an meiner Karriere nichts ändern. Doch an das Double würden sich die Leute noch lange erinnern", sagt Contador. Nimmt man die letztjährige Vuelta a España hinzu, steht der 32-jährige Madrilene gar vor dem historischen Triple.

Fünf Bergankünfte

Erwartet wird aufgrund dieser Ausgangslage nicht weniger als das grösste Tour-Spektakel seit Jahrzehnten. Mit sieben Teilstücken in den Pyrenäen und Alpen, wo am vorletzten Tag der Showdown auf die Alpe d'Huez ansteht, sowie der Zielankunft an der Mur de Huy (wie bei der Flèche Wallonne) und der Pavé-Etappe nach Cambrai haben die Tour-Organisatoren das Ihre getan für eine attraktive Rundfahrt. Was fehlt, ist einzig ein längeres Einzelzeitfahren. Ausser demjenigen zum Auftakt in Holland, das über 13,8 km führt, steht nur noch ein Mannschaftszeitfahren über 28 km im Programm.

Doch die Teilnehmer am Start und das Streckenprofil garantieren nicht, dass die 102. Edition der "Grande Boucle" (Grosse Schlaufe) zu einer denkwürdigen Tour wird. Auf den 3360 km von Utrecht nach Paris kann viel passieren. Erinnert sei nur ans Vorjahr, als Nibali überlegen vor dem französischen Duo Jean-Christophe Péraud und Thibaut Pinot triumphierte. Vor dem Start war allgemein von einem Duell zwischen Contador und Froome ausgegangen worden. Doch schon bald hatte sich das Favoritenduo verletzungsbedingt verabschiedet: Froome mit einem Handgelenk- und Contador mit einem Schienbeinbruch.

Gerade der Spanier konnte in Frankreich seit seinem Dopingfall 2010 nie mehr an alte Glanztaten anknüpfen. Heuer allerdings hinterliess Contador - zusammen mit Dauphiné-Sieger Froome - den stärksten Eindruck der Favoriten. Nibali hingegen musste bis am Sonntag, als er nationaler Strassenmeister wurde, auf den ersten Saisonsieg warten. "Dieser Sieg gab mir mein Selbstvertrauen zurück. Ob ich in Paris wieder triumphieren werde? Das kümmert mich jetzt nicht gross", sagt der 30-jährige Sizilianer. Er verspreche einzig, dass er viel attackieren werde und keineswegs plane, Energie zu sparen. Quintana blieb noch viel diskreter, da er sich zuletzt einige Wochen in der Heimat vorbereitete.

Cancellara sieht gelb

Gleich zehn Schweizer starten heute Samstag zur Tour de France. Von dieser grössten Delegation seit 1991 liebäugeln Fabian Cancellara und Michael Albasini mit einem Etappensieg. IAM-Teamleader Mathias Frank hegt Top-10-Ambitionen im Gesamtklassement.

Gleich vier Schweizer Profis - neben Frank noch Martin Elmiger, Reto Hollenstein und Marcel Wyss - wurden von IAM Cycling aufgeboten. Mittlerweile gehört der Rennstall von Michel Thétaz zu den World-Tour-Teams und er ist nicht mehr wie im Vorjahr auf eine Wildcard angewiesen.

Für den Walliser Thétaz, der um die zehn Millionen Franken in die Equipe investiert, geht es darum, dass "wir die letztjährigen Irrtümer zu korrigieren versuchen". So wurde auf die Nominierung eines Sprinters verzichtet, stattdessen setzt der Patron seine Hoffnungen auf Fahrer, die sich aktiv zeigen und mit etwas Glück am Ende aus einer Fluchtgruppe heraus einen Etappensieg landen können.

Frank: "Durchkommen und Überleben"

Daneben gilt der Fokus von IAM ganz Mathias Frank. Der 28-jährige Luzerner litt vor einigen Wochen allerdings noch an einer Stirnhöhlenentzündung und musste deshalb zehn Tage lange Antibiotika nehmen. "Gehört Mathias am Ende in Paris zu den Top zehn im Gesamten, so wäre das ein grosser Erfolg", sagt Thétaz.

Ein grosser Erfolg nicht nur für IAM und Frank, sondern auch aus nationaler Sicht: 16 Jahre ist es her, seit mit Alex Zülle letztmals ein Schweizer Profi am Ende der Rundfahrt in den ersten zehn klassiert war. 1999 wurde der Ostschweizer Zweiter hinter dem mittlerweile aus den Siegerlisten gestrichenen Amerikaner Lance Armstrong.

Knackpunkt wird für Frank, der am Wochenende an der Strassen-SM Dritter wurde und über "gute Beine" verspürte, gerade auch die erste Tour-Woche sein. Für ihn heisse es "Durchkommen und Überleben, am liebsten mit so wenig Zeitverlust wie möglich". Richtig in die Berge - und damit auf sein bevorzugtes Terrain - geht es erst in der zweiten Hälfte der Rundfahrt. "In diesen drei Wochen kann immer etwas passieren."

Gerade der IAM-Leader weiss dies aus persönlicher Betroffenheit nur allzu gut. "Die ersten zweimal an der Tour hatte ich Pech. Beim dritten Versuch wird es wohl klappen", hofft Frank, dass er Paris heuer endlich sehen wird. 2014 musste er nach der 7. Etappe verletzungsbedingt aufgeben, 2010 in Rotterdam gar bereits am ersten Tag.

Cancellaras letzte Tour?

Einer, der Paris auch gerne sehen würde, ist Fabian Cancellara. "Die letzte Woche mit den vielen Alpen-Etappen ist zwar gar nicht mein Ding. Es hat eher nostalgische Gründe, dass ich heuer fertig fahren möchte. Sehr wahrscheinlich ist es meine letzte Tour", sagt der 34-jährige Berner, der am Samstag zu seiner zehnten Frankreich-Rundfahrt startet. Er wolle später nicht bedauern, dass er nicht bis Paris durchgehalten habe, so Cancellara, der letztmals 2011 auf den Champs-Elysées einfuhr.

Ungleich präsenter als das Tour-Ende ist für ihn allerdings der Auftakt in Utrecht mit dem Einzelzeitfahren über 13,8 km Länge. "Ich habe grossartige Erinnerungen an die Prologe, wenn die Tour ausserhalb von Frankreich ihren Auftakt nahm", erinnert sich Cancellara. Zweimal in Lüttich/Be (2004 und 2012) sowie je einmal in London (2007), Monaco (2009) und Rotterdam/Ho (2010) blieb er siegreich und liess sich ins Leadertrikot einkleiden.

Der Berner verbrachte schon 28 Tage in Gelb - mehr als jeder andere Fahrer, der die Tour de France noch nie gewonnen hat. "Ich kann auch dieses Mal wieder gewinnen", ist Cancellara überzeugt. Als grösste Gegner im Kampf um seinen neunten Tagessieg an der Tour sieht er den Holländer Tom Dumoulin, den Deutschen Tony Martin und den Australier Rohan Dennis.

Albasini und die 3. Etappe

Neben Cancellaras Helfer beim Team Trek, Gregory Rast, sind an der 102. Austragung des berühmtesten Radrennens der Welt auch Michael Schär und der frischgebackene Schweizer Meister Danilo Wyss (beide BMC), Steve Morabito (FDJ) und Michael Albasini dabei. Der 34-jährige Thurgauer vom australischen Team Orica-Greenedge bestreitet seine siebte "Grande Boucle".

Gerade die 3. Etappe ist speziell auf Albasinis Fähigkeiten zugeschnitten. Im Teilstück am Montag geht es in Belgien von Antwerpen nach Huy. Dabei folgt zum Ende der Etappe die Mur de Huy, die sonst jedes Jahr an der Flèche Wallonne befahren wird. In diesem Frühjahrsklassiker belegte der Ostschweizer heuer den 3. Platz, 2012 war er gar Zweiter geworden.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Sport MEHR