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Niederreiter: Die Islanders am Horizont von Bridgeport

Zwischen Nino Niederreiter und seinem grossen Traum, der NHL, liegt derzeit das Meer. Die «Südostschweiz» hat den Bündner Eishockeyaner in Bridgeport besucht, wo er für das AHL-Farmteam der New York Islanders stürmt.

Südostschweiz
09.02.13 - 21:00 Uhr

Von Kristian Kapp

Eishockey. – Es ist kalt an diesem Donnerstagmittag in Bridgeport. 1 Grad warm sei es, behauptet zwar das Thermometer beim Bahnhof, doch der beissende, vom nahen Meer herwehende Wind sorgt für ein Erlebnis der winterlichen Art. Bridgeport, die grösste Stadt im US-Bundesstaat Connecticut, lädt an diesem Donnerstag nicht zum Verweilen ein. Doch dies sei, wie böse Zungen in der knapp zwei Stunden Reisezeit entfernten Metropole New York lästern, 365 Tage im Jahr so – der schlimmste Flecken Erde in ganz Connecticut sei dies. Auf den Strassen hats kaum Leute, die Furcht vor dem nahenden Schneesturm Nemo und Überschwemmungen ist auch ausserhalb New Yorks spürbar. Zu präsent sind noch die Verwüstungen von Wirbelsturm Sandy vor drei Monaten.

Gleich neben Bahnhof, Elektrizitätswerk und Schiffshafen liegt die Webster Bank Arena, die Heimat der Bridgeport Sound Tigers, dem AHL-Farmteam der New York Islanders. Das Training ist soeben beendet, der Letzte in der Garderobe ist ein Schweizer. Nino Niederreiter, der 20-jährige Bündner, stürmt für die Sound Tigers und ist ihr mit Abstand bester Torschütze und Skorer, auch wenn seine Produktion zuletzt etwas ins Stocken geraten ist.

Am letzten Wochenende traf er nach sechs Spielen ohne persönlichen Torerfolg endlich wieder. Es war sein 20. Treffer im 44. Spiel und darum, so Niederreiter, ein «schwieriger»: «Ob das zehnte, 20. oder 30. Tor – das ist immer so eine Sache. Du denkst zu viel darüber nach …» Niederreiter hat neue Schlittschuhe erhalten, sie werden am Wochenende in zwei Heimspielen eingeweiht. Neue Schuhe, neues Glück? «Es ist das bereits fünfte Paar diese Saison …», sagt Niederreiter schmunzelnd.

Lieber nicht in die Innenstadt

Long Island, die Heimat der New York Islanders, ist für Niederreiter stets präsent. Nicht nur, weil er lieber im «grossen» Klub spielen würde. Die Fähre neben dem Stadion ist die direkteste Verbindung zwischen Bridgeport und Long Island. So nah und doch so weit. Zum Mittagessen gehts hinaus aus Bridgeport.

Der Klub rät seinen Spielern, die Innenstadt möglichst zu meiden. Der Grund lässt sich erahnen: Die Kriminalitätsrate soll hoch sein. Wie weit das stimmt oder ob dies nur zur «üblichen» Panikmache gehört, lässt sich an diesem Nachmittag nur schwer erahnen und erinnert an das mediale Drama um den möglicherweise verheerenden Sturm Nemo. Die Polizeipräsenz auf den Strassen Bridgeports zumindest ist hoch, zudem erinnern viele Schilder und Tafeln nach wie vor an das Schulmassaker von Sandy Hook, das das nur ein paar Meilen von Bridgeport entfernte Newtown aus traurigem Grunde weltberühmt machte.

Niederreiter hält sich an die Klubvorgaben: «Ich war erst zwei oder drei Mal mitten in Bridgeport.» Es geht darum weiter östlich nach Milford, einem deutlich schickeren Vorort. Hier spielt sich der Grossteil des Lebens des 20-jährigen Churers und seiner Mitspieler ab. «Es gibt ein Einkaufszentrum. Und wir gehen oft ins Kino», erzählt Niederreiter. Doch in Wochen wie dieser, wenn sein Team gleich sechs Tage lang kein Spiel bestreitet und stattdessen viel (Kraft-)Training auf dem Programm steht, freue er sich einfach nur, zuhause etwas «chillen» zu können.

Zunächst gehts aber ins «Reggianos», Niederreiters Lieblings-Italiener. «Don Cruncho», wie Antonio Lopez Arcos genannt wird, ist Mexikaner und führt das Restaurant. Er erwartet Niederreiter bereits. Weil sein Stammkunde Besuch aus der Schweiz dabei hat, gibts zur Vorspeise einen fast doppelt so grossen Salat wie üblich …

«Mund halten und spielen»

Während des Essens ruft Niederreiters Agent André Rufener an und erkundigt sich nach dem Wohlbefinden seines Kunden und Freundes. Rufener hatte vor kurzem mächtig Staub aufgewirbelt, als er von den Islanders per Brief und danach auch in Schweizer Medien öffentlich einen Klubwechsel für Niederreiter forderte. Seither sei wieder Ruhe eingekehrt, sagt Niederreiter.

Es war ein Vorstoss seines Agenten, der nicht überall auf Verständnis stiess. Rufener hatte aber das Okay seines Klienten. Auch Niederreiter wusste, dass ihm das forsche Auftreten seines Agenten im schlimmsten Falle nicht nur Nutzen einbringen könnte. Schliesslich lautet das Motto in der NHL gerade für junge Spieler: «Mund halten und spielen.»

Er wolle nicht vor der für ihn harten Situation einfach davonrennen, versichert Niederreiter. Der Hintergrund sei ein einfacher: «Ich hätte gerne eine Chance in der NHL erhalten.» So wie Ryan Johansen, sein Kumpel aus gemeinsamen Zeiten in Portland in der kanadischen Juniorenliga.

Johansen wurde in der NHL wie Niederreiter 2010 gedraftet, als Vierter von Columbus und damit sogar einen Rang vor Niederreiter. Dass Johansen letzte Woche nach zehn Spielen mit guter Eiszeit, aber ohne Tor ebenfalls in die AHL zurückgestuft wurde, ist für Niederreiter kein Trost: «Er bekam eben diese Chance und durfte in Columbus in der zweiten Linie und im Powerplay spielen», sagt Niederreiter.

Drei Spieler der Bridgeport Sound Tigers haben es vorerst geschafft und spielen momentan für die Islanders, allerdings in teilweise sehr limitierten Rollen – so wie sie Niederreiter letzte Saison auf Long Island inne hatte. Bei diesem Rückblick wird auch Niederreiter nachdenklich: «Wenn ich es so anschaue, ist es vielleicht sogar besser, dass ich in Bridgeport bin. Hier spiele ich immer in der ersten Linie.» Viel mehr kann und will er dazu nicht sagen: «Ich konzentriere mich auf das Eishockey und mein Agent auf die restlichen Dinge, die ich nicht beeinflussen kann.»

Das Warten in der Idylle

Niederreiter hofft und wartet nun auf das Call-up aus New York. Er weiss aber auch, «dass dieses diese Saison vielleicht nicht mehr kommt.» Dann würde er die Saison in der AHL in Bridgeport beenden und versuchen, das Beste daraus zu machen.

Das Leben bei den Sound Tigers hat immerhin auch seine schönen Seiten. Ein paar weitere Meilen weiter östlich, am Laurel Beach, wohnt Niederreiter in einem Haus direkt am Meer. Zu Saisonbeginn war es noch eine Dreier-Wohngemeinschaft, doch weil Stürmer Casey Cizikas mittlerweile bei den Islanders ran darf, sind nur noch zwei geblieben: Niederreiter selbst und mit dem momentan verletzten Calvin de Haan ebenfalls ein Erstrundendraftee der Islanders, der auf seinen Durchbruch in der NHL wartet.

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