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Joe Thornton: «Ich gehe davon aus, bis Ende Saison zu bleiben»

Joe Thornton ist inmitten des Staraufgebots am 86. Spengler Cup eine der grössten Figuren. Der Captain der San Jose Sharks stürmt zum zweiten Mal während eines NHL-Lockouts für den HC Davos und peilt weitere Titel in Blau-gelb an.

Südostschweiz
27.12.12 - 07:30 Uhr

Mit Joe Thornton sprach Kristian Kapp

Joe Thornton, Sie nehmen zum zweiten Mal nach 2004 am Spengler Cup teil. Welche Erinnerungen sind Ihnen von der ersten Teilnahme geblieben? Joe Thornton: Es ist eine grosse Party. Das Stadion ist voll, und es wird grossartiges Eishockey gespielt.

Sie treffen am Turnier auf Jason Demers, Ihren Teamkollegen bei den San Jose Sharks, der am Spengler Cup für das Team Canada spielt … … und da freue ich mich ausserordentlich darauf. Auch wenn es für mich schon etwas komisch ist, gegen das Team Canada anzutreten, weil ich schon so oft für die Nationalmannschaft gespielt habe.

Was können die Zuschauer von Demers erwarten? Einen sehr begabten Verteidiger mit viel Geduld am Puck, stark im Powerplay. Einen guten Allrounder halt.

In der Meisterschaft harzt es etwas beim HC Davos. Kommt die Spengler-Cup-Pause gelegen? Ich glaube schon. Es kann uns gut tun, gegen andere Teams als in der Meisterschaft anzutreten und am Turnier Selbstvertrauen zu tanken.

Wo liegen die grössten Unterschiede zwischen dem Davoser Team während des letzten Lockouts 2004/05 und dem aktuellen? Vor acht Jahren hatten wir kaum Verletzte zu beklagen. Vor allem unsere «Big Guys» blieben das ganze Jahr gesund. Diese Saison haben wir extrem viele Verletzte. Ich weiss, dass das keine Entschuldigung ist. Aber Spieler wie Rick Nash und Petr Sykora fielen lange aus, und ein Petr Taticek hat kaum gespielt. Wenn man die Kaderliste anschaut, ist dieses Team sogar eher besser – wenn dann alle einmal gesund sein sollten.

Warum kommt der HC Davos trotz «Strichkampf» in die Play-offs? Weil wir gutes Eishockey spielen. Es bleiben knapp 20 Spiele übrig. Wir werden immer stärker, und immer mehr verletzte Spieler kommen wieder zurück. Wenn wir weiterhin aggressiv spielen, werden wir keine Probleme haben.

Wie sieht es bei Ihnen persönlich aus? Vergleichen wir den Joe Thornton, der 2004 nach Davos kam … Oh, Gott (lacht).

…und den Joe Thornton von 2012. Widersprechen Sie der Behauptung, dass es sich um zwei komplett verschiedene Spieler handelt? Nein. Vor acht Jahren spielte ich einen anderen Stil. Ich war in Davos ja zumeist linker Flügel. Das Spiel veränderte sich zudem auch in Nordamerika. Du musst mittlerweile in beide Richtungen spielen können, viel mehr Zwei-Weg-Qualitäten haben. Beim letzten Mal in Davos war ich viel offensiver ausgerichtet, doch jetzt als Center muss ich auf beide Seiten des Spielfelds ein Auge haben.

Ist diese Aufgabe, vor allem der Aspekt in der Defensive, auf dem grossen europäischen Eisfeld nicht sogar schwieriger? Das ist so. Du musst mehr Fläche abdecken und im Zweikampf besser auf die Winkel achten. Das ist viel tougher auf der grossen Eisfläche. Es kann dir viel eher passieren, dass du deine Position verlierst oder dir dein Gegenspieler entwischt. Hier musst du dich mehr auf deine Beinarbeit fokussieren.

Sie sind auch acht Jahre älter als damals. Hat dies Ihre Rolle in der Garderobe des HC Davos verändert? Üben Sie Leadership nun auch vermehrt aus, indem Sie das Wort ergreifen? Nicht wirklich. Es hat in dieser Garderobe sehr guten Leadership mit Leuten wie Captain Sandro Rizzi. Es hängt hier nicht alles von einem Einzelnen ab. Hier sind mindestens fünf oder sechs Spieler da, die das ganze zum Laufen bringen.

Seit Sie im September in Davos angekommen sind, dürften Sie zwischen zwei Gefühlslagen gefangen sein: Einerseits dem Hoffen auf das Ende des Lockouts, was aber andererseits Ihnen die Chance rauben würde, den HC Davos vielleicht zu einem weiteren Titel zu führen … Das ist so. Hier in der Schweiz beginnt nun gerade die Phase der Saison, in der es so richtig Spass macht, Eishockey zu spielen. Der Spengler Cup beispielweise ist das älteste Turnier der Welt. Natürlich würde ich gerne wieder in der NHL spielen. Aber die Zeit hier ist momentan wirklich speziell, und darum will ich auch ein Teil davon sein.

Sie sind also nicht hin- und hergerissen? Ich habe mich nicht wirklich darauf fokussiert, zurück nach Nordamerika zu gehen, weil von dort keine guten Neuigkeiten kommen. Ich bin mit meinem Kopf hier und will wieder den Spengler Cup gewinnen.

Letzte Woche stimmten die NHL-Spieler ab, ob sie ihre Gewerkschaft, die NHLPA, auflösen wollen, um damit im Streit im einen neuen Gesamtarbeitsvertrag Druck auf die Liga zu erzeugen. Was halten Sie davon? Es ist einfach eine andere Möglichkeit für uns, etwas Neues. Die Liga hat aus meiner Sicht bislang ja gar nicht wirklich mit uns verhandelt. Wenn es zur Auflösung der Gewerkschaft kommt, sehen wir dann, ob es etwas nützt. Vielleicht verhandelt die Liga dann mit uns. Es ist schwierig, immer mit dir selbst zu verhandeln. Für eine Verhandlung braucht es ein Gegenüber.

War es offen, wie die einzelnen Spieler abgestimmt haben? Nein, privat.

Also sagen Sie nicht, wie Sie persönlich abgestimmt haben? Nein (lacht). Es ist alles vertraulich.

Es gibt in Nordamerika zwei gemachte, aber komplett verschiedene Meinungen: Die Auflösung der Spielergewerkschaft führt zu einer schnellen Lösung. Oder sie bedeutet die endgültige Absage der NHL-Saison 2012/13. Was denken Sie? Das kann jetzt noch niemand sagen. 2004/05 waren wir während der Saison vier oder fünf Mal mit gepackten Koffern bereit, um wieder zurückzukehren. Dennoch wurde am Ende die ganze Saison abgesagt. Und um ehrlich zu sein: Ich gehe dieses Mal jetzt schon davon aus, bis zur Ende der Saison hier zu bleiben.

Dann verlieren Sie eine grosse Menge Geld, über sieben Millionen Dollar. Wenn wir das umrechnen auf dieses Interview, verlieren Sie alleine in diesen 20 Minuten, die wir miteinander reden, rund 800 Dollar … Ist es das wert? Ist es das wert? (überlegt) Als Eishockeyspieler willst du eigentlich einfach deinen Sport ausüben. Aber dann wiederum willst du eine faire Lösung. Und ich bin sicher, es wird die Zeit kommen, wenn die Liga bereit sein wird zu verhandeln. Faire Verhandlungen, das ist alles, was wir wollen.

Wäre es nicht besser, endlich die ganze NHL-Saison abzusagen, um dann ohne Zeitdruck eine gute Lösung für die kommenden Jahre zu finden? Wenn es nach mir geht, hätte man schon vor vier Jahren anfangen sollen mit dem Verhandeln. Aber die Liga will ja nicht verhandeln. Wenn ich über das Ganze nachdenke, werde ich langsam ratlos. Wir Spieler wollen spielen, doch die Liga lässt uns nicht.

Während des Lockouts sorgten bereits diverse, vor allem jüngere NHL-Spieler für weltweite Furore mit «interessanten» Tweets. Twittern Sie auch? Nein. Kein Twittern für mich. Und auch kein Facebook.

Haben Sie Winnipeg-Jungstar Evander Kanes Foto gesehen, wie er in Las Vegas mit grossen Bündeln Geld posiert? Er provozierte damit einen immensen medialen Aufschrei. Ja, habe ich. Junge Leute … (lacht) Sie verhalten sich heutzutage nicht immer nur smart.

Von allen nordamerikanischen Lockout-Spielern in Europa dürften Sie derjenige mit der grössten Verbundenheit zum Klub sein. Sie haben vor acht Jahren Ihre Ehefrau in Davos kennen gelernt, haben hier geheiratet, sind fast jeden Sommer hier … Vor acht Jahren dachten wir am Ende der Saison, es wäre schön, diese Erfahrung nochmals zu haben, aber leider würden wir nie mehr die Chance dazu bekommen. Es ist deshalb wirklich speziell, wieder zurückgekommen zu sein. Es ist auch schön für unsere kleine Tochter, in der Schweiz zu sein. Auch, damit sie ihr Schweizerdeutsch üben kann.

Sind Sie eigentlich immer noch im Kristallklub, der Gönnervereinigung des HC Davos? Sie würden ja quasi Ihren eigenen Lohn in Davos mitbezahlen … Nein. Also ich war sicher ein paar Jahre lang Mitglied. Aber ehrlich gesagt bin ich jetzt nicht einmal sicher, ob ich es immer noch bin …

Ist es ein Thema für Sie, nach der NHL-Karriere nach Davos zu kommen? Ich habe schon darüber nachgedacht. Wenn du älter wirst, scheinen die Jahre schliesslich immer schneller vorbei zu gehen. Ja, es ist eine Möglichkeit, dass ich hierher zurückkomme. Ich liebe Davos und die Leute hier.

Unmittelbar nach dem letzten Lockout erlebten Sie ein spezielles Jahr. Sie wurden mit Kanada Weltmeister, WM-Top­skorer, spielten in der NHL die persönlich beste Saison der Karriere, wurden ebenfalls Ligatopskorer vor Spielern wie Jaromir Jagr, Alex Ovechkin oder Sidney Crosby – und wurden mitten in der Saison von Ihrem langjährigen Team, den Boston Bruins, in einem der Aufsehen erregendsten Deals des Jahres, zu den San Jose Sharks getradet … Das war wirklich ein verrücktes Jahr mit gewonnenen Awards und einem Trade. Vielleicht verdankte ich jene gute Saison der Zeit, die ich hier in Davos verbrachte. Mein Spiel blieb während des Lockouts solid, und unter Arno Del Curto konnte ich mich sogar verbessern.

Als Captain wird man in der NHL kaum einmal getradet. Wie hat der 30. November 2005 Ihr Leben verändert? Durch den Trade selber eigentlich gar nicht. Ich wurde in San Jose ein reiferer Mensch und Spieler. Aber das ist normal, vorher war ich 25 und jetzt bin ich 33. Meine Persönlichkeit habe ich aber nicht verändert. Ich habe vielleicht an jenem Tag gelernt, dass auch in der NHL nichts sicher ist.

Sie haben immer wieder betont, wie sehr Sie die Stadt Boston lieben, auch weil sie eine echte Sportstadt mit vielen Profiteams ist. Was fühlten Sie, als die Bruins, Ihr altes Team, 2011 den Stanley Cup gewannen? Ich fand es grossartig. Wir hatten mit San Jose den Halbfinal gegen Vancouver verloren. Ich war deshalb während des Finals Boston-Fan und froh, dass Vancouver nicht auch noch den Final gewann.

Bei Spielen mit San Jose in Boston werden Sie immer noch herzlich begrüsst. Letzte Saison gab es sogar eine Video-Hommage und Standing Ovations. Sie scheinen beliebt zu sein in Boston … Das war wirklich schön. Boston ist eine Sportstadt mit grossartigen Sportfans. Sie respektieren meine harte Arbeit, die ich in den Jahren zuvor in ihrer Stadt geleistet hatte.

In der Nacht zuvor hatten Sie zudem einen speziellen Meilenstein erreicht und Ihr 1000. NHL-Spiel bestritten. Was bedeutete Ihnen diese Zahl? Es schien im Nachinein alles so schnell gelaufen zu sein. Auch weil ich schon mit 18 in die NHL kam und immer viel spielen konnte. Es wird dir klar, dass du diese Zeit so gut wie möglich geniessen sollst.

Wenn es in der NHL weiter geht, werden Sie bald auch 1000 Strafminuten erreicht haben … Das ist auch eine Art Meilenstein … (lacht).

In der Schweiz hatten Sie relativ wenige Strafminuten gesammelt – bis der 8.Dezember und das Spiel in Freiburg kam. Sie schlugen Gottérons Alain Birbaum in die Kufen und setzten noch einen nach – dafür gabs 27 Strafminuten. Ich dachte, für so viele Strafminuten auf einmal müsste man einen Schiedsrichter schlagen oder sich mit jemanden prügeln. Ich hatte mit zwei oder vielleicht vier Strafminuten gerechnet.

Was hatte Birbaum getan, dass Sie sich dermassen aus der Ruhe bringen liessen? Er verpasste mir einen Stockschlag im Shift zuvor. Das gefiel mir nicht.

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