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Münchner Gelassenheit, Dortmunder Umbruch

Mit Bayern München gegen Werder Bremen wird die neue Bundesliga-Saison heute (20.30 Uhr) eröffnet.

Südostschweiz
26.08.16 - 06:15 Uhr
Fussball

In Deutschland wird ein spannender Titelkampf herbeigesehnt. Dieser dürfte jedoch erneut kaum Tatsache werden. Zu gross ist der Umbruch bei Bayern Münchens grösstem Konkurrenten Borussia Dortmund.

25 Punkte Vorsprung waren es 2013, 19 ein Jahr später, zweimal 10 Zähler waren es zuletzt: Münchens Dominanz in der Bundesliga zunehmend geringer? Mitnichten!

Dass Bayern den Meistertitel in der letzten Saison erst am vorletzten Spieltag rechnerisch unter Dach und Fach bringen konnte, lag nicht an den Münchnern selbst, die in 34 Spielen nur sechsmal nicht gewannen, sondern an Dortmund.

Der BVB avancierte zum besten Zweiten der Bundesliga-Geschichte - und riss hinter sich ein grosses Loch auf. 18 Punkte betrug am Ende der Abstand zum drittplatzierten Bayer Leverkusen. Sportlich und wirtschaftlich entrückt ist der Konkurrenz mittlerweile also nicht nur Bayern München, sondern - selbstredend in geringerem Ausmass - auch der Rivale aus Dortmund.

Transfer-Coup und Risiko-Transfers

Doch den BVB betreffend gibt es vor der am Freitag beginnenden 54. Bundesliga-Saison dicke Fragezeichen. Keines der 18 Teams hatte im Sommer einen ähnlich grossen Umbruch zu meistern. Die drei Leistungsträger Mats Hummels, Henrich Mchitarjan und Ilkay Gündogan suchten in Bayern und England eine neue Herausforderung, kompensiert hat Dortmund den Aderlass mit acht Neuzugängen, deren bisheriger Karriereverlauf unterschiedlicher kaum sein könnte.

Einnahmen von rund 110 Millionen Euro stehen in Dortmund Ausgaben in fast identischer Höhe gegenüber. Keine Bundesliga-Equipe investierte annähernd so viel. Mit Mario Götze und dessen Kumpel André Schürrle wechselten die «Produzenten» des WM-Final-Tores von 2014 nach Dortmund, beide wurden aufgrund ihrer zuletzt seit Monaten unter den Erwartungen gebliebenen Leistungen jedoch mit Vorbehalten vom BVB-Anhang empfangen. Die Transfers sind umstritten, in Dortmund erhoffen sie sich gleichwohl eine Win-Win-Situation für beide Seiten: für Klub und Spieler.

Götze und Schürrle werden stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen, die im Fachmagazin «kicker» geäusserte Forderung von Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc ist unmissverständlich: «Leistung bringen, Leistung bringen, Leistung bringen!»

Grosses Lob ernteten Dortmunds Verantwortliche dagegen für die Verpflichtung von Ousmane Dembélé. Laut Experten ist der Borussia, die seit 2012 auf einen grossen Titel wartet, damit ein veritabler Coup gelungen. Am 19-jährigen von Rennes gekommenen französischen Super-Dribbler soll fast die gesamte europäische Klub-Elite interessiert gewesen sein.

Dortmunds Offensive präsentiert sich auf die neue Saison hin überaus variabel und qualitativ so hochwertig, dass sie gar höchsten internationalen Ansprüchen genügt. Allerdings muss sich die verjüngte Equipe - neu gehört ihr mit dem Türken Emre Mor ein weiterer hoch veranlagter 19-Jähriger an - erst finden und zusammenwachsen. Es ist deshalb nicht davon auszugehen, dass Dortmund den Bayern schon in dieser Saison den Bundesliga-Titel wieder wird streitig machen können.

In der Breite noch stärker

Der FC Bayern München seinerseits vermochte sein qualitativ hochstehendes Kader mit den Transfers von Mats Hummels und Renato Sanches weiter zu veredeln. Mittlerweile ist kein Team in Europa in der Breite stärker besetzt. Allerdings wurde selbst Münchens offensive Durchschlagskraft aufgrund der Verletzungsanfälligkeit einiger Kreativspieler (auf den Flügeln) in den vergangenen Jahren mehrfach in Topspielen erheblich gemindert.

Anders als die deutsche und europäische Konkurrenz hat Bayern seine Hausaufgaben auf dem Transfermarkt bereits im Mai erledigt. Derweil die eigene Nachwuchsabteilung den eigenen Ansprüchen seit Jahren nicht genügt, bewiesen die Bayern-Verantwortlichen zuletzt wiederholt bei der Neuverpflichtung von hoffnungsvollen Talenten ein feines Gespür. Dass dem Kader mit Renato Sanches und Kingsley Coman die besten beiden Nachwuchsspieler der EM und mit Joshua Kimmich der Aufsteiger schlechthin im deutschen Fussball angehören, ist das Verdienst des Technischen Direktors Michael Reschke.

Mit Carlo Ancelotti kehrte nach dem freiwilligen Abgang von Pep Guardiola Gelassenheit und eine Art Vaterfigur auf die bayrische Trainerbank zurück, die seit dem Triple-Gewinn unter Jupp Heynckes von vielen Anhängern vermisst wurde. Es menschle wieder beim FC Bayern, lautete der nicht zu überhörende Tenor in den deutschen Medien nach der Amtsübernahme des 57-jährigen Italieners.

Ancelotti weiss, dass in München der Titel in der Bundesliga mittlerweile als etwas Selbstverständliches vorausgesetzt wird und zur Beurteilung der Saison primär das Abschneiden in Europa herangezogen wird. Grossen Druck spüre er deswegen keinen, er sei ihn sich ohnehin gewohnt, so der dreimalige Champions-League-Sieger.

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