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Andres Ambühl: «Lieber WM als Krafttraining im Mai»

Der struppige (Play-off-)Bart ist weg. Geblieben sind die schwarzen, wilden Haare, und neu ausgerichtet ist der Fokus: Nach dem Gewinn des Schweizer-Meister-Titels will Andres Ambühl auch an der Eishockey-WM Zeichen setzen.

Südostschweiz
30.04.12 - 13:00 Uhr

Mit Andres Ambühl sprach Hansruedi Camenisch

Andres Ambühl, vor zwölf Tagen sind Sie mit den ZSC Lions Schweizer Meister geworden. Ist der Meisterkater inzwischen verdaut? Andres Ambühl: In den ersten Tagen nach dem entscheidenden 2:1-Sieg im siebten Play-off-Finalspiel in Bern habe ich mit meinen Teamgefährten wacker gefeiert und diese Zeit auch genossen. Doch irgendwann war es dann auch wieder genug. Seit letztem Dienstag stecke ich ohnehin schon wieder mitten in der Vorbereitung auf die Eishockey-WM.

Sie wurden in Ihrer Karriere mit dem HC Davos bereits viermal Schweizer Meister, nun erstmals auch mit den ZSC Lions. Was bedeutet Ihnen der jüngste Titelgewinn? Jeder Titel ist speziell, und auf dem Weg zur Goldmedaille ergeben sich jedes Mal spezielle Geschichten. In diesem Jahr hatte von den ZSC Lions niemand den Titel erwartet, nachdem wir in der Regular Season lange nicht auf Touren gekommen waren und die Qualifikation deswegen nur auf dem siebten Platz abgeschlossen hatten. Deshalb ist dieser Titelgewinn natürlich auch schön, aber unter dem Strich ist und bleibt Meister einfach Meister.

Sie leisteten mit sehr starken Auftritten persönlich einen entscheidenden Anteil, damit die Lions doch noch Meister wurden. Wie erklären Sie sich Ihre Bombenform in den Play-offs? Ich glaube nicht, dass ich wesentlich anders spielte als während der Qualifikation. Ab und zu hatte ich in den Play-offs ein bisschen mehr Glück. Da gelangen mir Aktionen, die zuvor missglückt waren. Wenn es der ganzen Mannschaft einmal rund läuft, sieht jeder einzelne Spieler individuell auch besser aus. Ich spielte während der Qualifikation nicht viel anders als danach. Der Grat zwischen Held und Buhmann ist manchmal schmal.

Fakt ist aber, dass Sie mit Ihren Antritten und Ihrem Tempo dafür sorgten, dass die ZSC Lions überhaupt in Fahrt kamen. Und nicht von ungefähr sind Sie zusammen mit Berns Jean-Pierre Dumont mit sechs Treffern und acht Assists gar Play-off-Topskorer. Ich bin ein Teamplayer und sehe mich nicht so im Vordergrund. Wichtig war in den Play-offs, dass die Verantwortung bei den ZSC Lions auf vielen Schultern verteilt war. Wir hatten vier Sturmlinien, die einen Match entscheiden konnten.

Vom Rück- zum Ausblick: Am nächsten Freitag beginnt in Finnland und Schweden die Eishockey-WM. Konnten Sie Ihre ausgezeichnete Verfassung übers Meisterschaftsende hinaus konservieren? Sind Sie überhaupt noch in der Lage, bis nach Mitte Mai weiterhin gross aufzutrumpfen? Da habe ich keine Bedenken. Ich freue mich auf die WM und fühle mich auch gut.

Vor zwei Jahren stachen Sie in Deutschland an der WM aus dem Schweizer Team heraus – unmittelbar nachdem Sie gefrustet aus Nordamerika zurückgekehrt waren. Diesmal stehen die Vorzeichen anders: Sie reisen als Meister an die WM. Ist es jetzt für Sie schwieriger, sich nochmals für einen Saisonhöhepunkt zu motivieren? Nein, überhaupt nicht. Ich freue mich jedes Jahr auf die WM. Es ist stets eine neue und schöne Herausforderung, gegen zahlreiche der weltbesten Eishockeyspieler antreten zu können. Als i-Tüpfelchen kommt noch hinzu, dass für mich das Sommertraining weniger lange dauert, wenn ich meine Saison erst im Mai beende. Meine Motivation ist grösser, auf dem Eis dem Puck nachzujagen als sich im Kraftraum zu plagen.

Vor dem ersten WM-Spiel der Schweiz am nächsten Samstag gegen Kasachstan spielen Sie mit dem Nationalteam noch zweimal gegen Kanada, am Sonntag in Freiburg und am Dienstag in Kloten. Was bedeuten Ihnen diese beiden Begegnungen? Die beiden Partien gegen das mit vielen prominenten NHL-Spielern bespickte kanadische WM-Team sind für mich und die ganze Schweizer Nationalmannschaft gleichzeitig ein idealer Gradmesser und eine gute Standortbestimmung. Wir versuchen, zwei gute Spiele gegen einen sehr starken Gegner zu zeigen.

Sie führen neu als Center einen besonders interessanten Block mit den drei NHL-Spielern Mark Streit, Luca Sbisa und Nino Niederreiter sowie dem Klotener Roman Wick an. Es macht Spass, mit diesen Kollegen einen Block zu bilden. Wir haben am Dienstag gleich auf Anhieb schon im ersten Training recht gut harmoniert. Gegen Kanada wird sich nun weisen, wie es für uns in einem Match passt.

Mit welchen persönlichen Zielen fliegen Sie am Donnerstag an die WM nach Helsinki? Das primäre WM-Ziel ist stets dasselbe: die Qualifikation für die Viertelfinals. Mit dem neuen Modus wird dietses Unterfangen aber noch schwieriger. Die Vor- und Zwischenrunde wurden gestrichen. Jetzt braucht es mehr Konstanz, um sich in einer Achtergruppe unter den ersten vier zu klassieren, zählt doch in den sieben Gruppenspielen jeder Punkt.

Die Weltmeisterschaft bildet für alle Spieler stets auch ein Schaufenster, um sich Spähern aus der National Hockey League zu präsentieren. Würden Sie ein allfälliges Angebot aus Nordamerika überhaupt prüfen, nachdem Sie 2009/10 bei den New York Rangers beziehungsweise dessen Farmteam kläglich scheiterten? Auf jeden Fall! Sollte ich nochmals eine Chance erhalten, würde ich versuchen, diese zu packen. Schliesslich ist das nordamerikanische Eishockey bis jetzt für mich ein Kapitel, das ich nicht so gestalten konnte, wie ich es mir vorgestellt hatte. Deshalb wäre ein zweiter Versuch für mich reizvoll. Vorerst konzentriere ich mich aber ganz auf die WM. Sollte sich aufgrund meiner WM-Auftritte und meiner Leistungen während der ganzen Saison ein Kontakt zu einem NHL-Team ergeben, würde ich nicht Nein sagen.

Haben Sie aber in Ihrem auch noch für nächste Saison gültigen Vertrag mit den ZSC Lions überhaupt eine Ausstiegsklausel für die NHL? Nein. Doch ich glaube nicht, dass mir die ZSC Lions Steine in den Weg legen würden, falls sich für mich etwas in Nordamerika konkretisieren sollte.

Zum Spielplan gehts hier. Zum Dossier «Eishockey Weltmeisterschaft 2012» gehts hier.

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