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«Mein Bett ist auch dein Bett»

Vor vier Jahren war die Bündnerin Sprintern Jacqueline Gasser mit der 4x100-Meter-Staffel für die Olympischen Spiele in London qualifiziert. Nach der Eröffnungsfeier zog sie sich eine Verletzung zu und musste das Olympiarennen von der Zuschauertribüne aus verfolgen. Trotzdem ist das «Olympiafeeling» bei Gasser noch sehr präsent.

Südostschweiz
20.08.16 - 11:00 Uhr
Sport

von Simone Zwinggi

«Es war schon sehr speziell, plötzlich zu den Auserwählten zu gehören, die nach London an die Olympischen Spiele reisen durften», erzählt Jacqueline Gasser über ihre Selektion für das 4x100-Meter-Rennen in London. Jene Zeit war für sie eine Ära der sportlichen Hochgefühle. Ein Jahr zuvor hatte sie mit ihren Teamkolleginnen den 4x100-Meter-Wettkampf an der Athletissima in Lausanne mit einem Schweizer Rekord beendet und sich damit für die WM 2011 in Daegu qualifizert. Und dann auch für das Olympiarennen in London.

«Wir reisten auf die Eröffnungsfeier hin nach London, erhielten ganz viele Olympiasouvenirs, einen Memorystick in Form eines doppelstöckigen London-Busses und eine Decke mit Sportartensujets und vieles mehr. Auf der Strasse gab es extra eine ‚Olympia-Spur‘, damit die Athleten nicht im Stau steckenblieben, im olympischen Dorf konnte man sich den ganzen Tag gratis verpflegen», zeigt sich Gasser auch vier Jahre später noch beeindruckt. Details sind es, die ihr noch so gut in Erinnerung sind, aber auch von der Eröffnungsfeier schwärmt sie.

Zurück nach Hause

Nach der Eröffnungsfeier reisten die Schweizer Sprinterinnen planmässig wieder nach Hause, um sich nochmals ganz in Ruhe auf den wichtigsten Wettkampf im Leben eines Sportlers vorzubereiten. Was danach geschah, stand so aber nicht auf Gassers Plan. Bei einem der letzten Trainings verletze sie sich an der hinteren Oberschenkelmuskulatur. Sie reiste trotzdem nochmals nach London. «Die Teilnahme am Wettkampf stand zwar ausser Frage, aber ich wollte das Rennen meiner Teamkolleginnen vor Ort mitverfolgen», erzählt Gasser.

Ins olympische Dorf war sie dann nicht mehr zugelassen und musste ihr Bett der Ersatzläuferin Marisa Lavanchy überlassen. Weil sie ihre Olymiabekleidung in der Unterkunft gelassen hatte, habe sie Lavanchy – ganz im Sinne des Teamspirits – mitgeteilt, dass ihre Sachen nun eben Lavanchys seien. «Mein Bett ist auch dein Bett» teilte Gasser ihrer Kollegin mit, und dieser Spruch sei bis heute erhalten geblieben, wenn sie sich treffen.

Boxen, schwimmen, langlaufen – und doch wieder laufen

Der Muskelfaserris war der Anfang einer langen Leidenszeit. Gasser kam nicht mehr richtig auf Touren, auch Fussprobleme tauchten immer wieder auf, den letzten Wettkampf bestritt sie 2014. Dann habe sie sich zurückgezogen vom Wettkampfsport, habe polysportiv trainiert. Vom Boxen übers Schwimmen zum Langlaufen – sie habe ganz Vieles ausprobiert und auch Spass daran gehabt. Aber das Laufen hat sie nie aufgegeben. «Laufen ist die natürlichste Fortbewegungsart des Menschen, und beim Laufen kann ich ausdrücken, wie ich mich fühle», erklärt sie.

Momentan trainiere sie auch wieder auf der Bahn, werde nicht aufhören, solange sie das Gefühl habe, ihre Leistung noch steigern zu können. «Ich glaube, dass ich über 100 Meter mein Potential ausgeschöpft habe, aber über 200 und 400 Meter kann ich mich noch steigern.» Jetzt ist sie 26-jährig, in vier Jahren noch in einem guten Sportalter, denkt sie laut nach. Und fokussiert sich gleich wieder auf das Hier und Jetzt. «Es geht darum, dass ich mich richtig wohlfühle in meinem Körper, dann kann ich auch gute Leistungen erbringen.»

Gasser ist nicht die einzige Athletin, die schon mit Verletzungen gekämpft hat. Und einige sind gestärkt aus Verletzungspausen zurückgekehrt.

Im Olympiablog halten wir jeden Tag einen Aspekt zum olympischen Geschehen in Rio fest: Wir lassen ehemalige Teilnehmer aus der Südostschweiz zu Wort kommen, stellen Sportarten vor, die bei uns nicht so bekannt sind oder berichten über unseren persönlichen Bezug zu einzelnen Disziplinen. Bei uns gibt es täglich ein Stück Olympia der besonderen Art.
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