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Nino Schurter: «Für die Flausen sind andere zuständig»

Nach fünf Jahren Unterbruch ist die Schweiz am Wochenende durch die Lenzerheide wieder Gastgeber von Weltcup-Rennen in der olympischen Mountainbike-Disziplin Cross Country. Der grösste Trumpf von Swiss Cycling bei den Männern ist Nino Schurter. Der dreifache Weltmeister hat vor dem Heimspiel allen Grund, optimistisch zu sein.

Südostschweiz
01.07.15 - 20:50 Uhr
Sport

Mountainbike. – Nino Schurter blickt entspannt auf den Weltcup auf der Lenzerheide. Im Interview spricht er über die Europa-Spielen in Baku, über das Rennen am Sonntag auf der Lenzerheide und über Thomas Frischknecht, den er mit weiteren Siegen als nationalen Titelhalter ablösen könnte.

Nino Schurter, Sie sind mit Gold zurück von den Europa-Spielen in Baku. Was ist Ihnen von diesem Anlass geblieben?
Nino Schurter: Für mich war es in erster Linie ein tolles Erlebnis. Hinter dem Anlass steckte eine gewaltige Organisation. So manches lief ähnlich ab wie an Olympischen Spielen. Nur die mediale Verbreitung war leider wesentlich schwächer.

Ihre grössten Konkurrenten waren nicht dabei. Julien Absalon verzichtete, Jaroslav Kulhavy hatte Knieprobleme. Sie konnten sich sogar einen Platten erlauben. Schmälert das den Erfolg? Fehlten Ihnen die prickelnden Duelle?
Natürlich ist ein Sieg schöner, wenn man weiss, dass die Besten lückenlos am Start gewesen sind. Wenn man bis zum Schluss eines Rennens fighten muss und dann gewinnen kann, ist es emotionaler. Genossen habe ich den Sieg trotzdem.

An den bisherigen zwei Stationen in dieser Weltcup-Saison mussten sie sich jeweils als Zweiter geschlagen geben; erst Kulhavy, dann Absalon. Nun ist beim Heim-Weltcup ein Sieg fällig.
Definitiv. Ich bin besonders motiviert. Zuletzt in Albstadt war schade, dass ich mich durch den selbstverschuldeten Sturz in der Schlussphase um den Sieg gebracht habe.

War der Schmerz gross über den verpassten Sieg?
Ich hätte dieses Rennen ziemlich sicher gewonnen. Aber so ist halt der Rennsport. Man muss auch in der Lage sein, eine Führung ins Ziel zu bringen. Ich sehe Albstadt positiv. Weil es mir gezeigt hat, dass ich super in Form bin. Ich hätte Absalon schlagen können, obwohl die Strecke ihm eher entgegen kam.

Ist es frustrierend, wenn von Ihnen lauter Siege erwartet werden und ein 2. Platz als Niederlage gewertet wird?
Einfach ist es nicht. Aber ich habe ja selber höchste Erwartungen an mich. An der letzten WM war ich mit Silber im ersten Moment enttäuscht. Man muss lernen, auch dann zufrieden zu sein, wenn man mal nicht gewonnen hat. Wenn ich nach einem Rennen weiss, dass ich nichts hätte besser machen können, muss man es akzeptieren, wenn ein anderer stärker war.

Die Strecke auf der Lenzerheide haben Sie getestet. Welche Art von Rennen gibt es am Sonntag?
Die Strecke ist etwas speziell. Sie hat nur einen richtigen Aufstieg, und dieser ist nicht sehr lang. Es hat viel Zick-Zack im Wald. Ich glaube deshalb, dass es schwierig sein wird, früh eine Zäsur herbeiführen zu können. Gut möglich, dass sich an der Spitze eine kleine Gruppe formiert und die Entscheidung auf einer harten letzten Runde fallen muss. Ich rechne mit einem knappen Ausgang.

Sie haben 14 Weltcup-Siege auf dem Konto. Noch drei fehlen zu Ihrem Team-Chef Thomas Frischknecht. Habt ihr eine Wette laufen, wann Sie ihn übertrumpfen?
Nein, das nicht. Das ist die einzige Statistik, in der er mir noch voraus ist (lacht). Ich glaube, Thomas ist sich bewusst, dass es eine Frage der Zeit ist, bis ich ihn einhole. Ob ich ihn schon heuer übertreffe, ist sicher fraglich, denn dazu müsste ich die restlichen Rennen allesamt gewinnen. Vergleiche sind jedoch heikel. Denn ich denke, dass Thomas mehr Erfolge in seinem Palmarès hätte, wenn in seiner Epoche weniger illegale Mittel eingesetzt worden wären.

Haben Sie auf der Lenzerheide Heim-Vorteil?
Damit ist es so eine Sache. Wenn in der Schweiz gefahren wird, kenne ich zwar im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz das Gelände etwas besser, doch dafür ist der Rummel um meine Person grösser. Diese Erfahrung machte ich auch an der EM 2013 in Bern. So kann ich mich beispielsweise in Tschechien bewusster auf meinen Renneinsatz konzentrieren.

Wenn alles so perfekt scheint wie bei Ihnen, finden Sie überhaupt noch Potenzial für Verbesserungen?
Ja, auf jeden Fall. Aktuell ist der Muskelaufbau ein bedeutendes Thema. Ich arbeite daran, dass ich die Kraft behalten kann und gleichzeitig etwas Gewicht verliere.

Was ist anders in Ihrem Team, seit Routinier Florian Vogel auf diese Saison hin durch U23-Weltmeister Michiel van der Heijden ersetzt worden ist?
Durch die Senkung des Altersschnitts hat sich das Klima schon verändert. Meine Rolle ist nicht mehr ganz die gleiche. Nun bin ich der Älteste, der Seriöse sozusagen, und für die Flausen sind andere zuständig (lacht). Für die Jungen ist der Sprung zur Elite sicher nicht einfach. Es kann dauern, bis man den Weg zum Erfolg findet. Vielleicht kann ich ihnen dabei helfen. (si)

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