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Russland vor landesweitem Verbot von «Homo-Propaganda»

Schwule und Lesben sollen in Russland künftig nicht mehr über ihre Sexualität reden dürfen. Nachdem bereits mehrere Grossstädte «Homosexuellen-Propaganda» unter Strafe gestellt haben, droht nun ein landesweites Verbot.

Südostschweiz
25.01.13 - 18:30 Uhr

Moskau. – Begleitet von Zusammenstössen zwischen Homosexuellen und Ultraorthodoxen nahm die russische Staatsduma erwartungsgemäss in erster Lesung das umstrittene Verbot an. Nur ein Parlamentarier lehnte das Gesetz ab, ein weiterer enthielt sich.

Doch stimmten 388 Abgeordnete für den Entwurf, der für öffentliche Äusserungen über Homosexualität Geldstrafen bis zu umgerechnet 15'500 Franken vorsieht, wie die Agentur Itar-Tass am Freitag berichtete. Die Duma hat 450 Sitze. Für das Gesetz sind eine zweite und dritte Lesung notwendig. Dass das Verbot die parlamentarische Hürde nimmt, darüber hegen Beobachter aber keinen Zweifel.

Der nun angenommene Entwurf sieht unter anderem vor, Schwulen und Lesben jegliche öffentlichen Veranstaltungen wie Proteste und Paraden zu untersagen.

Der Gesetzentwurf war im März 2012 vom Parlament der Region Nowosibirsk eingebracht worden war, nachdem es selbst ein Verbot erlassen hatte. Auch andere Grossstädte, darunter die Touristenmetropole St. Petersburg, haben «Homosexuellen-Propaganda» verboten.

Kritiker warnen vor schweren Verstössen gegen die Menschenrechte. «Das ist dasselbe, als wenn Menschen für ihre Sommersprossen bestraft würden», sagte die Bürgerrechtlerin Ljudmila Alexejewa. Andere Menschenrechtler bezeichneten das Gesetz als mittelalterlich. Kritiker werfen Präsident Wladimir Putin vor, angesichts fallender Umfragewerte seine Popularität mit Hilfe des Gesetzes steigern zu wollen.

Die Homosexuellen-Bewegung befürchtet, dass vage Formulierungen dazu führen, dass Homosexuelle künftig auch für Demonstrieren oder Händehalten in der Öffentlichkeit bestraft werden. Das geplante Gesetz würde sie zum Lügen zwingen, argumentierten betroffene Schwule und Lesben. Experten erklärten, durch das Gesetz werde die Aufklärung über die Immunschwächekrankheit Aids erschwert.

Befürworter begründen die Initiative mit dem Kinderschutz. Der Abgeordnete Sergej Dorofejew von der Regierungspartei Einiges Russland sagte, damit sollten Minderjährige «vor den Auswirkungen der Homosexualität» geschützt werden.

Die Abgeordnete Elena Misulina von der Oppositionspartei Gerechtes Russland sagte, homosexuelle Propaganda schränke «das Recht der Minderjährigen zur freien Entwicklung» und zur freien Wahl ihrer sexuellen Orientierung ein.

Vor der Abstimmung attackierten am Freitag Dutzende fanatische orthodoxe Gläubige homosexuelle Aktivisten mit faulen Eiern und Farbe. Die Aktivisten hatten sich aus Protest vor der Duma öffentlich geküsst.

Die Polizei habe die Angreifer entkommen lassen, aber stattdessen mindestens 20 Schwule und Lesben festgenommen, sagte die homosexuelle Aktivistin Jelena Kostjutschenko gemäss dem Internetportal gay.ru. Die Polizei, die das «Kiss-In» aufgelöst hatte, bestätigte die Anzahl Festnahmen.

Schwule und Lesben werden in Russland immer wieder Opfer von Gewalt. Homosexualität wurde in Russland bis 1993 als Straftat verfolgt und noch bis 1999 als psychische Krankheit eingestuft. Gay-Paraden, die seit 2006 wiederholt geplant waren, wurden verboten und brutal von der Polizei unterbunden. (sda)

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