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Papst fordert Rückbesinnung auf die Werte Europas

Papst Franziskus hat im EU-Parlament in Strassburg zu einer Rückbesinnung auf die ursprünglichen Werte Europas aufgerufen und vor einer Bedrohung des Friedens durch eine «Kultur des Konflikts» gewarnt. Europa müsse den Menschen in den Mittelpunkt des Handelns stellen.

Südostschweiz
25.11.14 - 17:59 Uhr

Strassburg. – Zugleich forderte der Papst die EU-Staaten zu einer gemeinsamen und solidarischen Flüchtlingspolitik auf. Es sei nicht hinzunehmen, «dass das Mittelmeer zu einem grossen Friedhof wird.»

Bisher fehle jedoch eine gegenseitige Hilfe innerhalb der EU, um den Flüchtlingsansturm zu bewältigen. «Auf den Kähnen, die täglich an den europäischen Küsten landen, sind Männer und Frauen, die Aufnahme und Hilfe brauchen», betonte Franziskus am Dienstag vor dem Ratsplenum.

Er verband mit diesem Appell eine Rückbesinnung auf die Würde des Menschen. Die EU müsse sich für die Achtung der Menschenrechte einsetzen und solidarisch mit den Schwachen in der Gesellschaft sein, mahnte das Oberhaupt der katholischen Kirche

Die politische Debatte werde heute von technischen und wirtschaftliche Fragen beherrscht, kritisierte der 77-Jährige. Dadurch sei der Mensch in Gefahr, zu einem «blossen Räderwerk in einem Mechanismus herabgewürdigt zu werden».

Mensch kein Konsumgut

Er werde wie ein Konsumgut behandelt, das «ohne viel Bedenken» ausgesondert werde, wenn es diesem Mechanismus nicht mehr zweckdienlich sei. Betroffen seien etwa Kranke im Endstadium, alte Menschen oder Kinder, die vor der Geburt getötet würden, betonte Franziskus. Diese Tendenz sei das Ergebnis der «Wegwerf-Kultur und des hemmungslosen Konsumismus».

Es sei an der Zeit, ein Europa aufzubauen, das sich nicht nur um die Wirtschaft drehe, forderte der Papst. Europa müsse wieder die «Heiligkeit der menschlichen Person» in den Mittelpunkt stellen, wenn es nicht seine «Seele verlieren» wolle.

Schaffung von Arbeitsplätzen

Mit Blick auf die hohe Arbeitslosigkeit in der EU rief der Papst zur Schaffung neuer Arbeitsplätze auf. Notwendig seien «neue Methoden», welche die Flexibilität des Marktes mit der Sicherheit der Arbeitsplätze verbänden. Die Abgeordneten spendeten dem Papst zum Abschluss seiner Rede minutenlang Applaus.

Vor hohen Vertretern des 1949 gegründeten Europarats, dem heute 47 Länder aus Ost- und Westeuropa angehören, warnte Franziskus anschliessend vor einer «Kultur des Konfliktes», die auf Angst vor dem Anderen und Ausgrenzung Andersdenkender ausgerichtet ist.

Zugleich äusserte er sich besorgt über anhaltende Spannungen in Europa. Der alte Kontinent habe unter verheerenden Kriegen gelitten und sehne sich nach Frieden; dennoch verfalle er «leicht den Versuchungen von einst», warnte der Papst, ohne einen bestimmten Konflikt namentlich zu nennen.

Dialog unter Menschen

Bedroht werde der Friede derzeit auch durch den «religiösen und internationalen Terrorismus», der eine tiefe Verachtung für das menschliche Leben hege, sagte der Papst weiter. Nachdrücklich sprach er sich für einen «offenen, respektvollen und bereichernden» Dialog unter Menschen und Gruppen unterschiedlicher Herkunft und religiöser Tradition aus.

Die Kurzvisite in den europäischen Institutionen war der erste Besuch des Papstes in einem EU-Land ausserhalb Italiens. Zuletzt hatte mit Johannes Paul II. vor 26 Jahren ein Papst Strassburg besucht, ein Jahr vor dem Fall der Berliner Mauer. Ein Frankreich-Besuch von Papst Franziskus ist für 2015 geplant. (sda)

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