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Obama: «Wir haben einige Leute gefoltert»

Mit ungewöhnlich deutlichen Worten hat US-Präsident Barack Obama erneut Folter durch die Vereinigten Staaten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeräumt und als falsch bezeichnet. Obama wünscht sich eine Aufarbeitung des dunklen Kapitels.

Südostschweiz
02.08.14 - 02:55 Uhr

Washington. – «Unmittelbar nach 9/11 haben wir einige Dinge gemacht, die falsch waren», sagte Obama am Freitag bei einer Pressekonferenz im Weissen Haus. «Wir haben einige Leute gefoltert. Wir haben einige Dinge gemacht, die unseren Werten widersprochen haben.»

Der Präsident betonte allerdings, dass die Geheimdienste nach den Anschlägen des Terrornetzwerks Al-Kaida auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington unter grossem Druck gestanden hätten. «Die Leute wussten nicht, ob weitere Attacken unmittelbar bevorstehen», sagte er.

Obama warnte davor, im Rückblick «zu frömmlerisch» über die Verfehlungen zu urteilen. Viele Geheimdienstvertreter hätten damals «hart gearbeitet» und seien «echte Patrioten».

Aus Geschichte lernen

Die USA hatten nach den Anschlägen vom 11. September 2001 unter Obamas Vorgänger George W. Bush ein weltweites System aufgebaut, um mutmassliche Al-Kaida-Anhänger zu verhören. Die Verdächtigen wurden verschleppt, ohne richterlichen Beschluss an geheimen Orten ausserhalb der USA festgehalten und mit brutalen Methoden befragt.

Zu den zwischen 2002 und 2009 eingesetzten Methoden gehörten Dunkelhaft, Schlafentzug und simuliertes Ertränken. Obama hatte das bereits kurz nach seinem Amtsantritt 2009 ausdrücklich als Folter bezeichnet. Bush hatte dagegen stets bestritten, dass es sich um Folter gehandelt habe.

Der Geheimdienstausschuss des Senats leitete eine Untersuchung ein und nahm im Dezember 2012 einen 6300 Seiten starken Bericht an, der mit dem Geheimdienst CIA hart ins Gericht geht. Die US-Regierung könnte schon bald eine freigegebene Fassung des Untersuchungsberichts veröffentlichen.

Obama äusserte die Hoffnung, dass dieses schwierige Kapitel der Geschichte der USA dadurch aufgearbeitet werde. «Wenn wir einige dieser verstärkten Verhörtechniken angewandt haben - Techniken, die ich und jeder aufrichtige Mensch für Folter halten würden - dann haben wir eine Grenze überschritten», sagte er.

«Das muss verstanden und akzeptiert werden.» Die USA müssten «Verantwortung übernehmen», damit sich so etwas in Zukunft nicht wiederhole.

CIA-Chef Vertrauen ausgesprochen

Der Präsident sprach auch die Affäre um das Ausspähen von Senatsmitarbeitern an, die vor einigen Jahren den Bericht über den Umgang mit Terrorverdächtigen verfasst hatten. Eine interne Untersuchung der CIA mache deutlich, dass Vertreter des Geheimdienstes «sehr schlechtes Urteilsvermögen» bewiesen hätten.

Dem CIA-Chef John Brennan sprach Obama aber sein «volles Vertrauen» aus. Brennan habe sich für die Aufklärung des Skandals eingesetzt und einen Arbeitsstab eingerichtet, «um sicherzustellen, dass die Lektionen gelernt und die Fehler beseitigt werden».

Die demokratische Senatorin Dianne Feinstein, die dem Geheimdienstausschuss der Kongresskammer vorsitzt, hatte die Spähvorwürfe im Frühjahr öffentlich gemacht.

Am Donnerstag räumte Brennan schliesslich ein, dass sich Mitarbeiter seiner Spionagebehörde «unlauteren» Zugang zu Computern des Senats verschafft hatten. Brennan entschuldigte sich persönlich bei Feinstein und ihrem republikanischen Stellvertreter Saxby Chambliss.

Geheimdienst zapfte Computer an

US-Medien zufolge hatten die Senatsmitarbeiter Millionen von streng vertraulichen Dokumenten der CIA im Keller eines abgeschirmten Gebäudes nahe Washington im Bundesstaat Virginia gesichtet. Die Unterlagen deckten demnach eine fünfjährige Zeitspanne ab, von der Einrichtung der Geheimgefängnisse nach dem 11. September 2001 bis zum September 2006, als die letzten CIA-Häftlinge in das Gefangenenlager Guantanamo verlegt wurden.

Die Vereinbarung mit der CIA war offenbar, dass nur der Geheimdienstausschuss Zugang zu den Computern in dem Kellerraum haben sollte. Der Geheimdienst zapfte das Netzwerk dennoch an. Feinstein berichtete im März über Vorfälle aus dem Jahr 2010, als hunderte Dokumente plötzlich von den Festplatten gelöscht waren. (sda)

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