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ENSI: AKW Mühleberg hat seine Hausaufgaben gemacht

Das AKW Mühleberg hat bisher alle Auflagen der Schweizer Atomaufsichtsbehörde (ENSI) für den Weiterbetrieb bis zur geplanten Abschaltung im Jahr 2019 erfüllt. Der von Rissen durchzogene Kernmantel wird zwar streng überwacht, muss aber nicht mit einer neuen Zuganker-Konstruktion versehen werden.

Südostschweiz
27.01.15 - 15:17 Uhr

Brugg AG. – Das ENSI hatte der Mühleberg-Betreiberin BKW im November 2013 insgesamt 18 Forderungen für den Weiterbetrieb bis zur Ausserbetriebnahme vorgelegt. Die Fristen für die Umsetzung für den Grossteil sind inzwischen abgelaufen, die Massnahmen wurden innerhalb der Fristen realisiert.

Der BKW wurde auch erlaubt, zu vier Massnahmen, die für den unbefristeten Betrieb notwendig gewesen wären, Alternativen einzureichen. Diese liegen dem ENSI nun vor. Die Aufsichtsbehörde hat diese Eingaben unter die Lupe genommen und ebenfalls akzeptiert.

Sie betreffen Stabilisierungsmassnahmen am Kernmantel und die Realisierung einer erdbebenfesten und überflutungssicheren, von der Aare unabhängigen Kühlwasserversorgung. Weiter wurden ein zusätzliches Nachwärmeabfuhrsystem und ein erdbebenfestes und überflutungssicheres Brennelemente-Kühlsystem gefordert.

Grenzwerte für Risse im Kernmantel

Trotz der Risse sei der Kernmantel derzeit noch stabil genug, sagte Georg Schwarz, stellvertretender ENSI-Direktor, vor den Medien in Brugg AG. Der Mantel muss fortan bis 2019 bei jeder Jahresrevision eingehend untersucht werden.

Das ENSI legte zudem zwei technische Kriterien für die Risse am Kernmantel fest, die nicht überschritten werden dürfen. Es handelt sich um einen Spannungsintensitätsfaktor und um einen Grenzwert für die Länge der Querrisse. Letztere dürfen nicht grösser als 32 Zentimeter werden.

Nach heutigem Kenntnisstand gehe das ENSI davon aus, dass die Risse bis zum Ende des Betriebes die Grenzwerte nicht erreichen werden, sagte Schwarz. Sollte sich die Entwicklung jedoch unerwartet ändern, sei mit den Grenzwerten ein Abschaltkriterium definiert worden.

ENSI: «Lage hat sich verändert»

Dass die Mühleberg-Betreiberin BKW nun doch nicht die Zuganker-Konstruktion des AKW-Kernmantels ersetzen muss, begründet die Schweizer Atomaufsicht ENSI mit der Stabilität dieses Mantels und der kürzeren Restlaufzeit der Anlage.

Als das ENSI Ende 2012 vom bernischen Energiekonzern den Ersatz der Zuganker bis zum Jahr 2017 gefordert habe, sei man von einer noch mindestens zehnjährigen Betriebsdauer ausgegangen, sagte Schwarz.

«Mit dem Entscheid, die Anlage 2019 endgültig ausser Betrieb zu nehmen, hat sich die Lage verändert. Nun braucht es nicht mehr eine Lösung, die zehn oder mehr Jahre hält.

Bereits umgesetzt wurde die Verstärkung der Staumauer des Wohlensees. Für die Kühlwasserversorgung erlaubt das ENSI dem AKW Mühleberg die Wasserentnahme aus dem Hochreservoir Runtigenrain in Radelfingen BE. Ursprünglich war geplant, das Wasser aus der Grundwasserfassung Saanetal zu beziehen.

BKW muss 15 Millionen investieren

Die BKW werde alle ENSI-Forderungen erfüllen und dafür 15 Millionen Franken investieren, gab das Unternehmen bekannt. Unternehmenssprecherin Murielle Clerc sagte auf Anfrage, die BKW werde die Forderungen termingerecht erfüllen.

Der Betrag von 15 Millionen Franken entspricht den Annahmen, welche die BKW bisher kommunizierte. Die vom ENSI geforderten Massnahmen erhöhen laut der BKW die Sicherheitsmarge und die Robustheit der Systeme für die letzten fünf Betriebsjahre zusätzlich.

Rytz: «ENSI geht vor der BKW in die Knie»

Dass die ENSI die von der BKW eingereichten Massnahmen akzeptiert, kommt bei den Grünen Schweiz nicht gut an. «Das ENSI geht vor der BKW in die Knie», sagt Co-Präsidentin Regula Rytz laut einer Mitteilung. Das ENSI dürfe keine «gefährlichen Konzessionen» machen, nur weil die Mühleberg-Betreberin BKW das Werk nun schon 2019 abschalte.

Die Umweltorganisation Greenpeace bezeichnet es als «verantwortungslos», dass die ENSI das BKW-Konzept weitgehend akzeptiert. Dass die Aufsichtsbehörde von ursprünglichen Forderungen wie etwa einer erdbebenfesten alternativen Kühlwasserquelle abweiche, zeige, dass die nun akzeptierten Alternativlösungen «eine Alibiübung» seien.

Kritik aus auch Bern

Auch die bernische Anti-Atom-Organisation «Fokus Anti-Atom» findet, das ENSI habe der BKW «nachgegeben». Es könne nicht sein, dass das ENSI Forderungen, die es früher gestellt habe, nun nicht mehr formuliere. Die verkürzte Rest-Betriebsdauer des AKW Mühleberg rechtfertige ein solches Vorgehen nicht.

Für Fokus Anti-Atom ist es auch nicht so, dass die Risse im Kernmantel von Mühleberg verstanden werden. Es liefen noch zahlreiche Forschungsprojekte dazu. «Mit den geplanten Messprogrammen hinkt man der realen Rissentwicklung hinterher.» (sda)

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