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Deutschland muss Euro-Rettung neu organisieren

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag beanstandet, dass Euro-Rettungsaktionen im Bundestag von einem neunköpfigen Geheimgremium beschlossen werden können. Nun muss der Bundestag seine Mitglieder stärker an der Vergabe der Milliardenkredite beteiligen.

Südostschweiz
28.02.12 - 18:00 Uhr

Von Fritz Dinkelmann

Berlin. – Zwei Bundestagsabgeordnete der SPD hatten in Karlsruhe geklagt und gestern überwiegend recht bekommen: Das Bundesverfassungsgericht hiess ihre Klage im Kern gut, wonach über die deutsche Beteiligung an Rettungsaktionen in der Eurozone grundsätzlich nicht in einem exklusiven Gremium entschieden werden darf. So war das bis jetzt, weil der Bundestag besonders eilige Entscheidungen an ein neunköpfiges Gremium delegiert hatte. Besetzt war dieses mit je zwei Abgeordneten der Union, Sozialdemokraten und Liberalen sowie je einem grünen und linken Parlamentarier. Gegen diesen Geheimausschuss klagten Peter Dankert und Sven Schulz in Karlsruhe.

Andreas Vosskuhle, der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, stellte fest, dass die Übertragung von Rechten des Parlaments auf ein Sondergremium nur akzeptabel ist, solange es dafür rechtfertigende Gründe gebe. Dies sei konkret beim Ankauf von Staatsanleihen an den Börsen durch den Euro-Rettungsschirm EFSF der Fall, weil da eine spezielle Vertraulichkeit nötig sei. Darüber hinaus aber gelte, dass der repräsentative Status der Abgeordneten geschützt werden müsse. Die Verfassung garantiere die Mitwirkungsbefugnisse aller Abgeordneter.

Insbesondere komme dem Bundestag beim Haushaltsplan eine hervorgehobene Stellung zu. Das Budgetrecht sei eine Grundlage der parlamentarischen Demokratie und darum müssten die Kompetenzen des Neuner-Gremiums beschränkt werden auf den erwähnten Fall.

Meinungen der Parteien gehen auseinander

Nun muss der Bundestag zügig eine neue Regelung ausarbeiten, was, so Bundestagspräsident Norbert Lammert, auch machbar sei: Das Bundesverfassungsgericht habe den «Korridor» vorgegeben, der den Fraktionen eine Einigung in einem vernünftigen Zeitrahmen möglich mache. Am Tag der Urteilsverkündung allerdings spielten die Parteien noch einmal mit den Muskeln. Die SPD sprach von einem «Scherbenhaufen», den die schwarz-gelbe Koalition zu verantworten habe. Anders interpretierten FDP und Grüne den Richterspruch: Es sei gut, dass das Vertrauensgremium bei Sekundär-Marktkäufen als verfassungskonform anerkannt habe.

Trotzdem wird die Neuordnung der Euro-Rettungsmechanismen im Bundestag noch einige Diskussionen auslösen. Dies, weil das Gericht unmissverständlich klargemacht hat, dass «die Funktionsfähigkeit» des Bundestages «kein Selbstzweck» sei und es gelte, «möglichst viel parlamentarische Legitimation» zu erreichen. Wo dies nicht zwingend erforderlich sei, dürften folglich «allgemeine Funktionserwägungen nicht dazu führen, verfassungsmässig verbürgte demokratische Spielregeln ausser Acht zu lassen», so Gerichtspräsident Vosskuhle.

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