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Bundesrichter lobt neue Härte im Strafrecht

Vergeltung und Sühne sind nach Ansicht des abtretenden Bundesrichters Hans Mathys in der Schweizer Justiz über Jahre zu kurz gekommen. In jüngster Zeit hat sich das Blatt laut Mathys aber gewendet - im Einklang mit Volksentscheiden, die eine härtere Gangart forderten.

Südostschweiz
22.12.14 - 06:11 Uhr

Bern. – Die «Leute» seien schon immer der Meinung gewesen, dass das Strafrecht «eine gewisse Härte gegenüber dem Täter» aufweisen müsse, doch die akademische Welt habe sich lange stark darauf konzentriert, den Täter wieder auf den richtigen Weg zu führen, sagte Mathys im Interview, das am Montag in der «Neuen Zürcher Zeitung» erschien.

Zu einem «Umdenken» sei es nach dem Mord am Zollikerberg 1993 gekommen, als ein Sexualstraftäter auf Hafturlaub eine Pfadiführerin umbrachte. Nicht nur an Universitäten habe sich etwas geändert, «auch in der Rechtssprechung hat ein Wandel zum Besseren stattgefunden», sagte Mathys. Richter verhängten heute eher wieder höhere Strafen.

Mathys präsidiert am Bundesgericht die Strafrechtliche Abteilung und tritt auf Ende Jahr aus Altersgründen ab. Er wurde 2006 ans höchste Gericht gewählt an und gehört der SVP an.

Ruf nach Härte als Reaktion

Zur Annahme von Volksbegehren wie den Verwahrungs- und Unverjährbarkeitsinitiativen oder dem Berufsverbot für Pädokriminelle sagt Mathys: «Der Ruf nach Härte ist eine Reaktion darauf, dass der Richter und Psychiater gegenüber den Tätern lange Zeit sehr viel Verständnis zeigten und gefährliche Kriminelle kaum je verwahrten.» Die Bevölkerung wolle diesen Kurs nicht mehr.

Mathys warnt allerdings auch vor zu hohen Erwartungen an den Staat, umfassende Sicherheit und Schutz zu garantieren. «Wir können Kriminelle nicht einfach wegsperren, nur weil man fürchtet, sie könnten dereinst rückfällig werden.»

Bundesrichter kritisiert Strassburger Urteile

Mathys äusserte sich auch zum Verhältnis der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Bundesverfassung: «Sie stehen auf derselben Stufe und enthalten praktisch dieselben Inhalte.» Bei Widersprüchen zur EMRK ist seiner Meinung nach die Verfassungsbestimmung «dennoch anzuwenden».

Bei Kollisionen müsste aber eigentlich die Politik entscheiden, wie vorzugehen wäre, sagte Mathys. «Die Schwierigkeit liegt ja aber nicht bei der EMRK selber, sondern beim Strassburger Gerichthof.» Dieser führe sich immer mehr als Erstinstanz auf, würdige den Sachverhalt von Fällen frei, was zu «stossenden Urteilen» führe.

Über eine Initiative plant die SVP derzeit festzulegen, dass die Bundesverfassung dem Völkerrecht wie der EMRK vorgeht - und damit Volksentscheide auch bei Kollisionen mit Menschenrechten angewandt werden müssten. (sda)

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