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Beschwerde gegen Abstimmung vom 9. Februar

Die Abstimmung über die SVP-Masseneinwanderungsinitiative soll für ungültig erklärt werden. Das verlangt eine Abstimmungsbeschwerde, die am Donnerstag beim Bundesgericht eingereicht wurde. Teile der Abstimmungskampagne seien rassendiskriminierend gewesen und damit strafbar.

Südostschweiz
30.01.15 - 09:39 Uhr

Bern. – Mit Hilfe eines rassistischen Inserats sei die Willensbildung der Stimmberechtigten manipuliert worden.

Die beiden Beschwerdeführer beziehen sich auf das SVP-Inserat «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!», das während der Abstimmungskampagne in Printmedien erschienen und ab Spätsommer 2011 auch auf den Webseiten der SVP sowie jener der Masseneinwanderungsinitiative aufgeschaltet war.

Wegen des Inserats müssen sich SVP-Generalsekretär Martin Baltisser und seine Stellvertreterin Silvia Bär Ende April vor einem Berner Strafgericht verantworten. Sie sind wegen mehrfacher Rassendiskriminierung angeklagt.

Strafgericht liess Anklage zu

Die SVP-Masseneinwanderungsinitiative war am 9. Februar 2014 mit 50,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden. Gegen dieses Abstimmungsresultat haben zwei Beschwerdeführer beim Bundesgericht Stimmrechtsbeschwerde erhoben. Bei diesen handelt es sich um den Zürcher Strafrechtler David Gibor und den Zürcher Staatsrechtler Tomas Poledna.

Vor wenigen Tagen hat das Strafgericht Bern-Mittelland entschieden, dass es auf die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Baltisser und Bär eintritt. «Mit der Anklagezulassung hat das Strafgericht zum Ausdruck gebracht, dass es das 'Kosovarenschlitzer'-Inserat der SVP für strafrechtlich relevant hält und jedenfalls nicht ausschliesst, dass eine Straftat vorliegt», sagte Gibor dazu auf Anfrage.

Und damit ergibt sich laut dem Anwalt eine neue Fragestellung: «Wurde mit einer strafbaren Handlung in unzulässiger Weise auf das Resultat der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative eingewirkt?»

«Beabsichtigte Skandalisierung»

Das «Schlitzer»-Inserat sei in der Kampagne zur Masseneinwanderungsinitiative mehrfach eingesetzt worden. «Die von der SVP damit beabsichtigte Skandalisierung verstärkte den Effekt medialer Aufmerksamkeit», sagte der Strafrechtler. «Die Volksabstimmung fiel hauchdünn aus. Bereits eine Verschiebung von etwa 9000 Stimmen bei insgesamt drei Millionen abgegebenen Stimmen hätte zur Ablehnung der Initiative geführt. Stellt das 'Schlitzer'-Inserat eine Rassendiskriminierung dar, wurde das Abstimmungsresultat mit diesem verfälscht.»

Volksabstimmungen dürften nicht durch falsche Angaben beeinflusst werden, wie es etwa bei der Unternehmenssteuerreform I geschehen sei. In jener Abstimmung habe das Bundesgericht einzig wegen einer sehr deutlichen Ja-Mehrheit nach ebenfalls erst nachträglich entdecktem Fehler von einer Ungültigerklärung der Abstimmung abgesehen. Noch viel weniger dürfe mit strafbaren Handlungen in die Abstimmungskampagne eingegriffen und die Willensbildung der Stimmberechtigten damit manipuliert werden, so Gibor.

Die beiden Beschwerde führenden Anwälte gelangen aus diesem Grund wegen des «Schlitzer»-Inserats der SVP mit einer Stimmrechtsbeschwerde an die Zürcher Regierung und das Bundesgericht.

«Rechtsstaatliche Grundordnung verletzt»

Da sich die Tatsache, dass mit einer Straftat auf das Abstimmungsergebnis eingewirkt worden sei, erst jetzt mit der Anklagezulassung durch ein unabhängiges Strafgericht konkretisiere, sei die Frist für eine Beschwerde gegen die Abstimmung vom 9. Februar 2014 gewahrt.

«Wer mit rassendiskriminierenden Mitteln auf Stimmenfang geht und damit das direktdemokratische System pervertiert, verletzt in fundamentaler Weise die rechtsstaatliche Grundordnung», erklärte Gibor. Dieser Verfassungsbruch dürfe nicht hingenommen werden. Deshalb müsse die Abstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative für ungültig erklärt werden. (sda)

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