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Regierung reicht Strafanzeige gegen Unbekannt ein

Die Bündner Regierung geht in Sachen Aufsichtsbeschwerde nicht gegen die Gemeinde Vals vor. Damit die bestehenden Vorwürfe aber geklärt werden können, hat sie Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht. Die ganze Medienkonferenz im Livestream zum Nachschauen.

Südostschweiz
23.03.17 - 12:05 Uhr
Politik
Regierungsrätin Barbara Janom Steiner und Antikorruptionsexperten Mark Pieth vor den Medien. Bild Yanik Bürkli
Regierungsrätin Barbara Janom Steiner und Antikorruptionsexperten Mark Pieth vor den Medien. Bild Yanik Bürkli

Das Wichtigste in Kürze:

  • Kanton geht nicht gegen die Gemeinde Vals vor
  • Anzeige gegen Unbekannt: Staatsanwaltschaft soll klären, ob Korruption im Spiel war

 

Nach dem Kauf der Therme Vals durch Investor Remo Stoffel hat eine Privatperson beim Kanton Graubünden eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht. Dabei geht es um Geld. Der Vorwurf: Der Verkaufspreis der Therme sei zu tief gewesen, weil stille Reserven in Millionenhöhe vorhanden waren. Das Bündner Verwaltungs- und Bundesgericht lehnten die Beschwerde ab, weil sie zu spät eingereicht wurde. Auf den Inhalt der Beschwerde gingen die Gerichte nicht ein.

Heute nahm die Bündner Regierungspräsidentin Barbara Janom Steiner in Chur Stellung zum Thema. Die rechtliche Abklärung hat Professor Mark Pieth durchgeführt. Er war an der Medienkonferenz ebenfalls anwesend. Der Livestream zum Nachschauen:

Am 26. August 2015 wurde bei der Regierung ein «Auskunftsbegehren im Sinne einer Aufsichtsbeschwerde» gegen die Gemeinde Vals eingereicht, das unter anderem Folgendes beantragte:

 

  • Es sei der Gemeinderat Vals aufsichtsrechtlich anzuweisen, der Gemeindeversammlung Vals noch im Verlaufe des Jahres 2015 eine verwaltungsrechtlich korrekte Rechnungslegung betreffend Verkauf Hoteba an die Priora Projekt AG vorzulegen und genehmigen zu lassen.
  • Ergänzend (sei) in verfahrensrechtlicher Hinsicht dafür zu sorgen, dass die (seinerseits) bisher erbetenen Auskünfte seitens des Gemeinderates der Regierung aufsichtsrechtlich erteilt werden, um entsprechend den Einwohnern von Vals, als auch der breiteren Öffentlichkeit, Aufklärung betreffend Verkauf Therme Vals und der Transaktionen an die Priora Projekt AG zu ermöglichen.

 

Nach abgeschlossenem Schriftenwechsel bildete der Verkauf der Therme Gegenstand eines Beitrags in der Sendung «Rundschau» von SRF vom 9. März 2016. Der Kanton erachtete es als zentral und unabdingbar, dass die für die Beurteilung der Aufsichtsbeschwerde zuständige Regierung über sämtliche potenziell entscheidrelevanten Dokumente verfügt und verlangte das im Beitrag erwähnte Gutachten ein. Das Gutachten, das im Auftrage von Rainer J. Schweizer verfasst und von der Gruppe «Besorgte Bürgerinnen und Bürger von Vals» bezahlt wurde, sollte belegen, dass im Anlagevermögen stille Reserven vorhanden waren. Das Gutachten ist allerdings nicht in der Lage, sie zu beziffern.

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Um die Therme Vals wird weiter gestritten. Archivbild

Die Regierung gelangt nach ausführlicher Darlegung des Sachverhalts, in Kenntnis der zahlreichen geführten Gerichtsverfahren und unter Anwendung eines breiten Beurteilungsmassstabes zum Schluss, dass

  • der Verkauf der Therme Vals zum autonomen Aufgabenbereich der Gemeinde Vals gehört, in welchem sie in ihrer Entscheidfindung frei ist; die Aufsichtsbehörde wäre nur bei krassen Verstössen gegen übergeordnetes Recht bzw. bei Ermessensüberschreitung und -missbrauch befugt, korrigierend einzuschreiten, was vorliegend nicht der Fall ist;
  • die Gemeinde autonom entscheiden kann, ob sie die Höhe der Verkaufsofferten als verhältnismässig und angemessen erachtet; mit der Zustimmung zu einer der beiden Offerten hat die Gemeindeversammlung vom 9. März 2012 dies bejaht;
  • keine übergeordneten haushaltsrechtliche und finanzaufsichtsrechtliche Bestimmungen verletzt wurden, wie auch, dass keine Verstösse gegen die einschlägigen Vorschriften der Rechnungslegung zu beanstanden sind;
  • keine Mängel im Abstimmungsverfahren anlässlich der Gemeindeversammlung vom 9. März 2012 festgestellt werden können.


Die Aufsichtsbeschwerde bot Gelegenheit, sich aus aufsichtsrechtlicher Sicht umfassend mit der Angelegenheit «Verkauf der Therme Vals» auseinanderzusetzen. Da es sich bei der (subsidiären) Aufsichtsbeschwerde nicht um ein Rechtsmittel mit umfassender Kognition handelt, konnten keine strafrechtlichen Beurteilungen vorgenommen werden.

Antikorruptionsexperte empfiehlt Strafanzeige gegen Unbekannt

Die Regierung sah sich im Zuge der Bearbeitung der Aufsichtsbeschwerde veranlasst, eine neutrale Fachperson beizuziehen, die sich des strafrechtlichen Themenkreises annehmen konnte. Die Regierung bediente den international anerkannten Antikorruptionsexperten Mark Pieth mit sämtlichen ihr zur Verfügung gestellten Unterlagen und ersuchte ihn, allfällige strafrechtlich relevanten Punkte herauszuschälen.

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Thermen-Besitzer Remo Stoffel. Bild Marco Hartmann

Hintergrund bildeten die von Schweizer vorab im «Tages-Anzeiger» vom 3. April 2015 gegen den Kanton (und die Gemeinde Vals) erhobenen Korruptionsvorwürfe. Dieser antwortete auf die Frage, ob die Behörden gegen Gesetze verstossen hätten, wörtlich: «… Meiner Auffassung nach gehört der Verkauf der Therme Vals zu den grossen Korruptionsfällen in Schweizer Gemeinden, vergleichbar dem Fall Leukerbad». Und die Anschlussfrage, was genau in diesem Fall korrupt sei, beantwortete er wie folgt: «Korrupt war meines Erachtens, dass verschiedene massgebliche Beteiligte, mit persönlichen Interessen und unter Missachtung von Amtspflichten, den 'Deal' mit den Herren Stoffel und Truffer eingefädelt und, ohne alle Zahlen offenzulegen, durchgesetzt haben».

Pieth ortet Abklärungsbedarf, was die Phase der Vorbereitung des Verkaufs betrifft. Im Zentrum steht insbesondere der Abschluss des Memorandum of Understanding vom 6. April 2011: Dieses wurde zwischen dem Investor und dem Verwaltungsrat der Hoteba AG vereinbart. Wer im Vorfeld und auch im Nachgang darum wusste, ist aufgrund der Akten nicht zu ermitteln. Drei Punkte bezeichnet es als rechtsverbindlich, während die übrigen Klauseln Absichtserklärungen sind:

 

  • Art. 4: eine Vertraulichkeitsklausel (bis längstens zum 31. Dezember 2013);
  • Art. 5: eine Entschädigungspflicht, für die Hoteba im Fall des Abbruchs der Verhandlungen oder der Ablehnung des Angebots bis zu Fr. 500‘000;
  • Art. 7: ein Exklusivverhandlungsrecht von STOFFELPart (längstens) bis zum Entscheid der Gemeindeversammlung. Der Entschädigungsfall für die Hoteba trat ein, falls sie vor Unterbreitung eines verbindlichen Angebots den Prozess abbrach resp. falls sie das Angebot der STOFFELPart ablehnte. Das Angebot und seine Bedingungen waren damals noch nicht bekannt, trotzdem war der Verwaltungsrat bereit, die Hoteba entsprechend zu binden.

 

Um die offenen Fragen einer Klärung zuzuführen, empfiehlt Pieth, Strafanzeige gegen Unbekannt einzureichen. Dieser Empfehlung ist die Regierung nachgekommen und hat die Unterlagen der Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden übergeben. Die Regierung erhofft sich durch das Strafverfahren eine abschliessende Klärung.

Remo Stoffel wollte den Entscheid der Bündner Regierung auf Anfrage im Einzelnen nicht kommentieren. Er begrüsst aber das Vorgehen der Regierung, liess sein Sprecher Peter Hartmeier ausrichten. (so)

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