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Bundesrat will bei Ärzten 700 Millionen Franken sparen

Der Bundesrat greift beim TARMED durch. Weil sich Ärzte, Spitäler und Krankenkassen nicht auf eine Revision einigen konnten, muss er den Ärztetarif selber anpassen. Das werden die Mediziner im Portemonnaie spüren.

Südostschweiz
22.03.17 - 15:16 Uhr
Politik
Ärzte und Krankenkassen streiten seit Jahren darüber, wie viel die einzelnen Leistungen kosten. Weil sie sich nicht einigen konnten, greift nun der Bundesrat durch. (Archivbild)
Ärzte und Krankenkassen streiten seit Jahren darüber, wie viel die einzelnen Leistungen kosten. Weil sie sich nicht einigen konnten, greift nun der Bundesrat durch. (Archivbild)
KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Rund 700 Millionen Franken sollen bei den ambulant erbrachten Leistungen gespart werden, wie Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Bundeshausmedien erklärte. Bei einem Volumen von rund 10 Milliarden Franken sind das erhebliche Einsparungen. Die Zeche zahlen die Spezialärzte, die Haus- und Kinderärzte würden sogar etwas mehr Geld bekommen als heute.

Dass der TARMED angepasst werden muss, ist seit Jahren klar. Der Tarif ist längst nicht mehr sachgerecht, einige Leistungen werden zu hoch, andere zu tief vergütet. Sieben Jahre lang haben die Tarifpartner, also Ärzte, Spitäler und Krankenkassen, über eine Revision verhandelt. Letztes Jahr brachen sie die Gespräche ergebnislos ab.

Hausärzte profitieren

Für diesen Fall gibt das Gesetz dem Bundesrat die Möglichkeit, selber einzugreifen. Seine Vorschläge dazu hat er bis am 21. Juni in die Vernehmlassung geschickt, 2018 will er die TARMED-Anpassungen in Kraft setzen. Ziel sei eine sachgerechte Vergütung der Leistungen, sagte Berset. Die Einsparungen seien eine Konsequenz daraus.

Profitieren werden die Grundversorger. Schon 2014 hat der Bundesrat linear 200 Millionen Franken von den Spezialisten zu den Haus- und Kinderärzten verschoben. Nun kommen weitere Besserstellungen hinzu: Künftig soll die Dauer der ärztlichen Weiterbildung nicht mehr entscheidend sein für die Höhe der Vergütung. Heute erhalten Spezialisten deswegen in der Regel mehr Geld als Hausärzte. Zudem wird für Operationen künftig weniger unproduktive Zeit eingerechnet, was ebenfalls zu Lasten der Spezialisten geht.

Viele der vom Bundesrat geplanten Anpassungen greifen längst erkannte Probleme auf, für die die Tarifpartner aber keine gemeinsame Lösung gefunden haben. So sollen die Vergütungen für verschiedene Eingriffe gesenkt werden. Eine Operation des grauen Stars, ein Belastungs-EKG oder eine Darmspiegelung können aufgrund des technischen Fortschritts rascher durchgeführt werden als früher. Daher sollen sie auch tiefer vergütet werden.

In gewissen Sparten will der Bundesrat die Vergütungen für technische Leistungen linear um 10 Prozent senken. Davon wären etwa Chirurgen, Urologen, Radiologen oder Dermatologen betroffen. Für bestimmte Leistungen werden die Vergütungen gezielt gekürzt. Einige pauschal abgerechneten Untersuchungen sollen künftig als Zeitleistungen abgerechnet werden.

Undurchsichtige Abrechnungen

Zudem sollen verschiedene TARMED-Abrechnungsregeln angepasst werden, darunter jene für Leistungen in Abwesenheit des Patienten. Diese stehen im Verdacht, nicht in jedem Fall gerechtfertigt und massgeblich für das Kostenwachstum der letzten Jahre verantwortlich zu sein.

Künftig soll der Arzt die Tätigkeit genau ausweisen müssen, was die Transparenz erhöhen würde. Zudem soll für Leistungen in Abwesenheit des Patienten eine Obergrenze eingeführt werden, es dürfte also nur eine bestimmte Menge Taxpunkte dafür abgerechnet werden. Weiter sollen Spitäler mit Notfallstationen keine Notfallzuschläge mehr abrechnen können. Insgesamt tragen die Spitalambulatorien rund die Hälfte der Einsparungen.

Bei diesen Massnahmen soll es laut Berset nicht bleiben. Damit das Kostenwachstum gebremst werden könne, müsse der Tarif ständig angepasst werden, sagte er. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten auch grundlegende Eingriffe in die Tarifstruktur zur Diskussion stehen.

Grundlegende Anpassungen

Berset hat letztes Jahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge ausarbeite soll, wie die ständige Zunahme der abgerechneten Leistungen eingedämmt werden kann. Zur Diskussion steht beispielsweise, bestimmte Leistungen nicht mehr nach Zeitaufwand, sondern pauschal abzurechnen. Thema werden könnten auch eine Obergrenze für alle Leistungen oder sogar Einschränkungen des Vertragszwangs.

Da sich die Tarifpartner auch im Bereich der Physiotherapie nicht auf eine gemeinsame Tarifstruktur einigen konnten, musste der Bundesrat in diesem Bereich ebenfalls eingreifen. Er hat beschlossen, dass die bisherige Tarifstruktur in angepasster Form weitergeführt werden soll. Auf Kürzungen verzichtet der Bundesrat. Die Tarifstruktur tritt am 1. Januar 2018 in Kraft.

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