×

Opfer schildern, wie sie gelitten haben

Während des Prozesses vor dem Militärgericht in Schwyz sind diese Woche die beiden Opfer der Übergriffe in der Truppenunterkunft Elm befragt worden.

Südostschweiz
02.12.16 - 15:55 Uhr
Politik

von Daniel Koch

Der Angriff auf das Glarner Opfer war wohl ein Racheakt. Das Tessiner Opfer kann sich nicht erklären, weshalb es ins Visier der Täter geraten war. In der Truppenunterkunft in Elm hatten im Juni 2014 mutmasslich sieben damalige Rekruten des Nachts zwei ihrer Kollegen angegriffen, gefesselt und gepeinigt.

Im Verlaufe des Prozesses erhielten die beiden Opfer die Gelegenheit, ihre Sicht der Tatabläufe zu schildern. Der junge Glarner will bereits am Nachmittag vor dem Angriff auf ihn Anzeichen dafür registriert haben, dass sich ein Unheil zusammenbraut. «Sie haben mich komisch angeschaut, und ich dachte mir schon, dass sie etwas planen», sagte er vor Gericht aus.

Die nächtliche Attacke ist wohl als Racheakt einzuordnen. Zuvor hatte der Glarner einen anderen Rekruten verteidigt, der von einigen der späteren Täter verbal angegriffen worden war. Der Glarner meldete diesen Vorfall dem Kompaniekommandanten. Deswegen wurde er kurz darauf als «Ratte» tituliert.

Während des Angriffs habe er zu Beginn grosse Angst verspürt. Dann habe er sich etwas beruhigt und nach fünf oder sechs Schlägen in den Bauch entschieden, sich bewusstlos zu stellen.

Darauf habe ein Angreifer gesagt: «Das sieht nicht gut aus. Scheisse, was ist jetzt los?» Sie hätten versucht, ihn mit Wasser zu einer Regung zu bringen. Dabei habe einer gedroht: «Wenn du das nur vortäuschst, bist du am Arsch.»

Vier der Täter will der Glarner anhand der Stimmen identifiziert haben, schliesslich habe er diese nach Monaten im gleichen Zug gut gekannt. Gesehen hat er nichts, da ihm gleich zu Beginn ein Kissenbezug über den Kopf gestülpt worden war. Einen der Beschuldigten entlastete er allerdings dezidiert, und ein weiterer sei zum fraglichen Zeitpunkt als Wache eingeteilt gewesen. Körperliche Verletzungen hat der Gepeinigte zwar nicht davongetragen. Allerdings erlitt er nach der Rekrutenschule während eines Aufenthalts in Schanghai laut eigenen Aussagen in der U-Bahn eine Panikattacke.

Grosse Angst ums Augenlicht

Der eine Nacht später attackierte Tessiner kann sich nicht erklären, weshalb er ins Visier der Täter gelangte. Er habe nie etwas Schlechtes getan und wisse nicht, wie er das verdient habe. Bei ihm dauerte der Übergriff etwa zehn Minuten, dann konnte er sich befreien und ging nach draussen, wo er auf einen Wachtmeister traf. Ihm schilderte er den Vorfall, zumal er wegen der Blendung mit einem starken Weisslicht um sein linkes Auge bangte. Tags darauf diagnostizierte ein Arzt im Kantonsspital Glarus eine Bindehautreizung. Mühe mit schlafen habe er heute noch. Darum habe er schon öfter den Arzt konsultiert.

Der befragte Wachtmeister – ebenfalls ein Tessiner – bestätigte, dass der Rekrut grosse Angst um sein Auge gehabt habe und sehr erschrocken gewesen sei. Das Angebot, in einem anderen Schlafsaal zu nächtigen, habe er dennoch ausgeschlagen. Und schliesslich hätten sie entschieden, den Vorfall erst am nächsten Morgen dem Feldweibel zu melden.

Widersprüchliche Aussagen

Anlass zu Fragen gab die angeblich einwandfreie Identifikation von fünf der Angreifer durch das Opfer. Der Tessiner betonte, er habe diese «zu 300 Prozent mit eigenen Augen gesehen».

Der Wachtmeister will sich allerdings daran erinnern, dass er damals gesagt habe, es sei dunkel gewesen im Zimmer. Zwar habe er einige der Namen genannt. Es könne aber auch sein, dass die Nennungen lediglich aufgrund eines Verdachts zustande gekommen seien. Für die Version des Opfers mag sprechen, dass er tags darauf die Namen der Opfer beim Kompaniekommandanten auf einem Meldeblatt notiert hatte. Dumm nur, dass bei einer späteren Einvernahme in Bellinzona just diese Namen nicht mehr festgehalten wurden und auf einem vom Opfer unterschriebenen Protokoll nun fehlen.

Der Tessiner beteuerte darauf, die Namen auch dort genannt zu haben. Allerdings ist der Übersetzer seiner Meinung nach der deutschen Sprache nicht ganz mächtig gewesen. Er habe fahrig gewirkt. Er selbst habe das im Protokoll Festgehaltene wegen seiner mangelhaften Deutschkenntnisse nur teilweise verstanden. Und weil er unter Zeitdruck gestanden sei, habe er unterschrieben. Die Verteidiger der Beschuldigten versuchten darauf, die Deutschkenntnisse des Tessiners in ein anderes Licht zu rücken. Tatsache ist, dass er bis zur dritten Klasse in der Deutschschweiz gelebt hatte. Und danach kam er auch im Tessin während fünf Jahren in den Genuss von Deutschunterricht, zuletzt in der Handelsschule.

Der Prozess dauerte die ganze Woche an. Die Urteile werden zu einem späteren Zeitpunkt publiziert.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR