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Kantone wollen Zuwanderung regional bremsen

Die Kantone wollen die Probleme mit der Zuwanderung dort lösen, wo sie entstehen. Ihn ihrem Auftrag hat der ehemalige Spitzendiplomat Michael Ambühl die so genannte Bottom-up Schutzklausel erarbeitet. Diese setzt, wie der Name sagt, auf der tiefst möglichen Stufe an.

Südostschweiz
25.08.16 - 10:53 Uhr
Politik

In geografischer Hinsicht ist das auf Stufe der Kantone. Die Zuwanderung würde nur dort begrenzt, wo Arbeitsplätze und Löhne wegen überdurchschnittlich hoher Migration unter Druck geraten.

Denkbar sind gemäss der am Donnerstag in Bern vorgestellten Studie zur Bottom-up Schutzklausel Ausnahmen für Branchen, in welchen ein Mangel an Fachkräften herrscht. Landesweite Massnahmen würden nur ergriffen, wenn ganze Branchen oder Berufsgruppen Schwierigkeiten hätten.

Keine Kontingente

Ambühls Modell verzichtet auf Höchstzahlen. Die Zuwanderung soll mit mit einem Inländervorrang umgesetzt werden, also einer wie auch immer gearteten Privilegierung inländischer Arbeitskräfte vor solchen aus der EU. Das ist grundsätzlich nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der EU vereinbar. Daher müssten sich die Schweiz und die EU über den Inländervorrang einigen.

Solche gezielten, zeitlich beschränkten Einschränkungen der Zuwanderung sind im Abkommen vorgesehen. Bedingung ist, dass in einem Land schwerwiegende wirtschaftliche oder sozialen Probleme auftreten. Die Bottom-up Schutzklausel könnte daher nur aktiviert werden, wenn die Zuwanderung in die Schweiz weit über dem Durchschnitt der EU/EFTA-Länder liegt. Um spezifische Massnahmen auslösen zu können, müssten weitere, vorab definierte Bedingungen erfüllt sein.

Neben dem Inländervorrang sieht das Modell Massnahmen bei den Sozialleistungen vor. Unter anderem schlägt Ambühl höhere Arbeitgeberbeiträge für neu Zugewanderte vor, was eine Art Zuwanderungssteuer wäre. Zudem könnte der Zugang zu gewissen Leistungen aufgeschoben werden. Alle Massnahmen liessen sich gemäss der Studie auch für Grenzgänger anwenden.

Widerstand aus Italien

Italien hat bereits Widerstand angemeldet. Der italienische Aussenminister Paolo Gentiloni stellte diese Woche gegenüber Bundesrat Didier Burkhalter klar, dass Italien regional differenzierte Zuwanderungsregeln nicht akzeptieren würde.

Das geht aus einer Informationsnotiz des Aussendepartements hervor, über die der «Tages-Anzeiger» am Donnerstag berichtete. Die Informationen liegen der sda vor. Gentiloni machte deutlich, dass Italien einen Mechanismus zur Aktivierung einer Schutzklausel auf kantonaler Ebene nicht unterstützen würde. Italien verlange eine einheitliche Lösung für die ganze Schweiz.

Babylonische Verwirrung

Ende nächster Woche führt die Staatspolitische Kommission des Nationalrats die abschliessende Debatte über die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, bevor das Geschäft ins Plenum kommt. Bisher war die Diskussion von babylonischer Verwirrung geprägt. Im Moment gebe es ein Dutzend Varianten des Inländervorrangs und ein Dutzend Varianten der Schutzklausel, und alle verstünden etwas anderes darunter, sagte ein Kommissionsmitglied.

Welche Lösung sich am Ende durchsetzt, ist offen. Bekannt ist, dass die Bottom-up Schutzklausel der CVP am nächsten ist. «Man muss die Gedanken der Kantone aufnehmen. Sie haben die gleiche Stossrichtung wie die Anträge der CVP», sagte Parteipräsident Gerhard Pfister (ZG) der sda. Für Marco Romano, der ebenfalls für die CVP in der Staatspolitischen Kommission sitzt, sind jedoch auch Höchstzahlen denkbar.

Milde Variante

Das geht den Vertretern von SP und FDP klar zu weit. Die Fraktionen würden allenfalls einer Pflicht zur Meldung offener Stellen an die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zustimmen. Diese Variante des Inländervorrangs ist derart mild, dass sie unter Umständen sogar mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist.

Der SVP genügt das nicht. Ob sie alle Anträge der anderen Fraktionen ablehnt oder oder sich am Ende doch an die Seite der CVP stellt, ist offen. Zuerst müssten alle Anträge gesichtet werden, liessen ihre Vertreter in der Kommission verlauten.

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