×

Erdogan knöpft sich Gülen-Anhänger in der Schweiz vor

Der türkische Präsident weitet die Jagd gegen seine Feinde auf die Schweiz aus. Und auch wenn ihm hierzulande enge Grenzen gesetzt sind: Gülen-Anhänger fürchten sich vor Repressalien.

Südostschweiz
22.07.16 - 21:22 Uhr
Politik

von Jonas Schmid

Der Rachefeldzug des türkischen Autokraten Recep Tayyip Erdogan erreicht nun auch die Schweiz.  Der türkische Botschafter ad interim, Volkan Karagöz, kündigte gestern in Bern an, juristisch gegen Gülen-Anhänger vorzugehen.  «Es ist gut möglich, dass unsere Regierung Gülenisten ausmacht und ein Verfahren gegen sie eröffnet», sagte er.  Er wisse, dass es in der Schweiz einige Institutionen und Personen gebe, die zur Organisation des Predigers Fethullah Gülen gehörten.

«Wir informieren unsere Partner über die Vereinigungen und Mitglieder, die der Gülen-Bewegung angehören», sagte Karagöz. Er sei sich aber bewusst, dass in der Schweiz eine andere Definition von Terroristen gelte, so Karagöz. «Darüber werden wir uns unterhalten.» Der Frage, ob die türkische Regierung die Hetze gegen Gülenisten in den Sozialen Medien unterstütze, wich der Geschäftsträger aus: Wer nicht zur Gülen-Bewegung gehöre, brauche keine Angst zu haben, sagte er.

Rechtshilfe enge Grenzen gesetzt

Jedem Staat stehe es frei, ein Strafverfahren gestützt auf sein eigenes Recht zu eröffnen, sagt Ingrid Ryser vom Bundesamt für Justiz. Für das rechtliche Vorgehen türkischer Behörden gebe es jedoch enge Grenzen. «Sie dürfen weder Einvernahmen, Zeugenbefragungen noch Festnahmen in der Schweiz vornehmen.» Wolle ein Staat Personen in der Schweiz festnehmen lassen, müsse er ein Auslieferungsersuchen stellen, so Ryser.

Damit Rechtshilfe gewährt wird, müssten bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Ryser erwähnt etwa, dass ein Delikt in beiden Ländern strafbar sein muss. Zudem leiste die Schweiz keine Rechtshilfe, «wenn Gegenstand des Verfahrens eine Tat ist, die nach schweizerischer Auffassung vorwiegend politischen Charakter hat».

Hetze in den Sozialen Medien

Hiesige Gülen-Anhänger sind verunsichert. Sie fürchten, dass nun wegen Terrorverdachts gegen sie ermittelt wird – mit negativen Folgen für ihre in der Türkei lebende Familie. «Es ist beängstigend, was passiert», sagt ein Sprecher, der zum Schutz seiner Familie anonym bleiben will. Von den Schweizer Behörden erhoffe er sich, dass sie schlichtend eingreifen.

Dass in der Schweiz der Druck steigt, zeigt das Beispiel einer Zürcher Privatschule. Der Leiter, der ebenfalls anonym bleiben möchte, hat die Schulbehörden und die Polizei alarmiert. «Auf Facebook wird zum Boykott unserer Schule aufgerufen», klagt er. Zudem habe ein Vater seinen Sohn aufgrund des Drucks der eigenen Verwandtschaft aus der Schule genommen. Er hoffe, dass sich die Situation bis zum Ende der Schulferien wieder beruhigt.

In der Schweiz leben laut dem Staatssekretariat für Migration gut 68 000 türkische Staatsangehörige. Dazu kommen gegen 1000 Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen. Zusammen mit den Eingebürgerten wird die Zahl der Einwohner türkischer Herkunft in der Schweiz auf rund 120'000 geschätzt. Davon sind etwa die Hälfte Kurden.

Soll die Schweiz die türkische Regierung stärker kritisieren?

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR