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Kantonsgericht verliert gegen Bündner Journalistin

Das Schweizer Radio und Fernsehen SRF und eine Bündner Journalistin des Senders haben sich vor Bundesgericht mit einer Beschwerde gegen das Bündner Kantonsgericht durchgesetzt. Nun muss das Kantonsgericht seine Praxis bei der Veröffentlichung von Urteilen ändern und sämtliche Urteile öffentlich bekanntgeben.

Südostschweiz
07.07.16 - 15:53 Uhr
Politik

Die Richter in Lausanne fanden klare Worte an die Adresse des Kantonsgerichts Graubündens und dessen Präsidenten, wie aus dem am Donnerstag publizierten Urteil hervorgeht. Mit seiner Praxis nur rechtskräftige Urteile zur Einsicht frei zu geben, untergrabe das Kantonsgericht die Kontrollfunktion der Medien, urteilt das Bundesgericht.

Das Kantonsgericht hatte der Journalistin des Regionaljournals Graubünden von Schweizer Radio SRF, Stefanie Hablützel, im Februar 2016 die Herausgabe von zwei Urteilen zu einem schweren Unfall auf der Skeletonbahn «Cresta Run» in St. Moritz verweigert.

Nur rechtskräftige Urteile öffentlich gemacht

Der Gerichtspräsident liess Hablützel wissen, das Kantonsgericht veröffentliche oder gebe nur Urteile heraus, die rechtskräftig seien - bei denen also entweder die Einsprachefrist ungenutzt abgelaufen sei oder die vom Bundesgericht bestätigt seien.

Von den zwei angeforderten Urteilen laufe bei einem aber noch die Rekursfrist. Das andere sei vom Bundesgericht aufgehoben worden. Der Entscheid sei rechtlich gesehen nicht mehr existent, schrieb der oberste Bündner Richter. Es sei daher nicht ersichtlich, inwiefern daran im Nachhinein noch ein öffentliches Interesse bestehen sollte.

Hablützel monierte, auf diese Art würden aufgehobene Urteile der Öffentlichkeit gänzlich entzogen und eine Justizkritik durch die Medien sei so nicht möglich. Zudem werde eine aktuelle Gerichtsberichterstattung verunmöglicht.

Verfassungswidrige Kabinettjustiz

Die Praxis des Kantonsgerichts sei gleichbedeutend mit der Aufhebung des Prinzips der Öffentlichkeit der Justiz in einem Teilbereich, argumentierte die Journalistin. Dies führe zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen partiellen Kabinettsjustiz.

Die Richter in Lausanne gaben der Klägerin vollumfänglich recht. Das in der Bundesverfassung vorgesehene Prinzip der Justizöffentlichkeit bedeute die Absage an jegliche Form der Kabinettjustiz, der undurchsichtigen Gerichtsbarkeit hinter verschlossenen Türen.

Der Grundsatz sei von zentraler rechtsstaatlicher und demokratischer Bedeutung, heisst es im Urteil. Transparenz sei die Grundlage für das Vertrauen in die Gerichtsbarkeit.

Medien eingeschränkt

Die Bündner Praxis aber widerspricht laut Bundesgericht dem Gebot der Transparenz der Rechtspflege und verhindert zumindest partiell eine wirksame Kontrolle der Justiztätigkeit durch die Medien.

Weshalb sich die Bekanntgabe auf rechtskräftige Urteile beschränken sollte, war den Richtern in Lausanne «nicht einsichtig». Die Kenntnis noch nicht rechtskräftiger oder aufgehobener Urteile könne eine kritische Auseinandersetzung mit späteren Entscheiden in der gleichen Sache erleichtern. Zudem könne sich Justizkritik auch auf aufgehobene Urteile beziehen.

Und was sagt Hablützel dazu? Ihre Reaktion auf Twitter:

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