×

LeVine : «Eine Mehrheit möchte schärfere Waffengesetze»

US-Botschafterin Suzan LeVine ist überzeugt davon, dass der Angriff auf einen Nachtclub in Orlando die Amerikaner zu einem Umdenken in Sachen Waffengesetze bewegt.

Südostschweiz
18.06.16 - 14:19 Uhr
Politik

mit Suzan LeVine sprach René Mehrmann

Es war ein dichtes Programm, welches LeVine am Donnerstag bei ihrer Reise nach Graubünden absolvierte. Auf dem Programm stand unter anderem ein Besuch bei der Ems Chemie, wo sie sich besonders für die Lehrlingsausbildung interessierte. Anschliessend besuchte sie das Medienhaus in Chur. 

Frau Botschafterin, vor fast einer Woche erschütterte die Nachricht über die Schiesserei in einem Nachtclub in Orlando die Welt. Wie haben Sie reagiert, als sie von diesem schrecklichen Ereignis erfuhren? Ist man da als Botschafterin eines Landes speziell betroffen, wenn so etwas im Heimatland geschieht?

Suzan LeVine: Man ist speziell betroffen als amerikanischer Staatsbürger, denn alle Amerikaner sind davon betroffen. Was uns bei der Botschaft vor allem betroffen machte, war die Tatsache, dass wir nur einen Tag vor dem Attentat in Zürich auf der Pride Parade gegen Diskriminierung demonstriert, Toleranz, und Vielfalt gefeiert haben. Es macht mich wirklich persönlich betroffen, dass wir auch heute noch gleiche Rechte für alle, vor allem auch für die LGBT-Gemeinschaft, nicht als selbstverständlich betrachten dürfen. Wir müssen deshalb unseren Kampf für die Gleichberechtigung aller fortführen, weltweit, aber auch zu Hause in den USA in Bezug auf schärfere Waffengesetze und Toleranz.

Ich bin zuversichtlich, dass jetzt tatsächlich etwas passiert.

.

Suzan LeVine beim Interview. Bild Yanik Bürkli

Sie haben schärfere Waffengesetze angesprochen. Obwohl die Schweiz ein eher liberales Waffengesetz hat, ist es für uns nur schwer vorstellbar, warum es in den USA so schwierig ist, schärfere Waffengesetze politisch umzusetzen. Können Sie mir das erklären?

Es ist nicht so, dass in Amerika schärfere Waffengesetze nur auf Ablehnung stossen, wenn man sich verschiedene Umfragen ansieht. Sogar Umfragen unter Waffenbesitzern zeigen, dass diese für schärfere Gesetze sind, seien das nun schärfere Kontrollen beim Kauf und der Registrierung von Waffen sowie den Nichtverkauf von Waffen an Personen, die unter Beobachtung der Behörden oder auf einer No-Fly-Liste stehen. Eine Mehrheit der Amerikaner möchte hier also eine Veränderung. In unserem politischen System – und das ist ja eigentlich auch das schöne an einer Demokratie – gibt es unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema und leider auch starke Stimmen, die keine Änderung der Waffengesetze wollen. Aber Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden und wir alle, die für schärfere Waffengesetze einstehen, werden nicht aufgeben. Wir brauchen bessere Waffengesetze, damit die Menschen in den USA sicherer leben können.

Ist es manchmal nicht frustrierend, wenn es scheint, dass man seinem Ziel nicht näherkommt?

Es ist tatsächlich frustrierend, dass nach solchen schrecklichen Attacken wie in Orlando die Diskussionen jedes Mal aufflackern und kurze Zeit später wieder einschlafen. Ich bin zuversichtlich, dass jetzt tatsächlich etwas passiert, aber es braucht das Verständnis aller Amerikaner und deren Vertretern im Kongress, dass schärfere Waffengesetze nötig sind.

Lassen Sie uns noch über das Verhältnis zwischen den USA und der Schweiz sprechen. Dieses war in den vergangenen Jahren etwas belastet durch die Anzeigen gegen Schweizer Banken wegen der Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Viele Fälle sind inzwischen erledigt, wie beurteilen Sie die Beziehung zwischen den beiden Ländern heute?

Unsere beiden Länder hatten ja immer ein gute und starke Beziehung und wie in jeder Beziehung gibt es hin und wieder Meinungsverschiedenheiten. Bei diesen Meinungsverschiedenheiten ging es ja nicht eigentlich um die Schweiz, sondern darum, sicherzustellen, dass die amerikanischen Steuerzahler auch ihre Steuern bezahlen. Nachdem die meisten Schweizer Banken, welche am Programm des Justizministeriums teilgenommen haben, sich mit diesem geeinigt haben, ist diese Wolke nun verflogen und wir können dieses Kapitel abschliessen. Man muss auch sehen, dass wir im gleichen Zeitraum viel Positives erreicht haben, sei es in der Zusammenarbeit in der Lehrlingsausbildung oder Schweizer Firmen, denen wir geholfen haben in die USA zu expandieren. Auch das Investitionsvolumen von US-Firmen in der Schweiz hat stark zugenommen, womit auf beiden Seiten des Teichs Arbeitsstellen geschaffen wurden. Auch arbeiten beide Länder bei der Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus eng zusammen. Das sind nur einige Beispiele und ich glaube wirklich, dass unsere Beziehung stärker ist als je zuvor.

Mit Facebook, Twitter und Instagram hat die US-Botschaft die Möglichkeit mit der Schweizer Bevölkerung in Kontakt zu treten.

.

Suzan LeVine im Gespräch mit René Mehrmann. Bild Yanik Bürkli

Sie sind sehr präsent in den sozialen Medien wie Twitter und Facebook und besuchen nach diesem Interview auch noch die Twitter-Bier-Zusammenkunft in Chur. Wie wichtig sind Ihnen die sozialen Medien, einerseits als Botschafterin andererseits auch als Privatperson?

Die sozialen Medien sind für mich essenziell, um Menschen zu erreichen, die ich sonst nie erreichen könnte, geschweige denn persönlich treffen. Mit Facebook, Twitter und Instagram hat die US-Botschaft die Möglichkeit mit der Schweizer Bevölkerung in Kontakt zu treten. So hatten wir nach den schrecklichen Ereignissen in Orlando die Möglichkeit, mit Organisationen wie zum Beispiel Pink Cross Verbindung aufzunehmen und den Schweizern mitzuteilen, dass wir unser Kondolenzbuch für die Öffentlichkeit öffnen und eine Gedenkveranstaltung für die Opfer abhalten. 70 Leute nahmen an diesem Anlass, der mich sehr bewegt hat, teil. Ohne die sozialen Medien hätten wir diese Leute nie erreichen können. Diplomatie hat sich entwickelt, es geht nicht mehr nur darum, Kontakt zu einer Regierung herzustellen, sondern die Leute direkt zu erreichen und zuzuhören. Und als Privatperson sind die sozialen Medien für mich ein einfacher Weg, mit Freunden und Bekannten in Seattle in Kontakt zu bleiben.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR