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Griechenland-Verhandlungen können starten

Nach monatelanger Hängepartie kann Griechenland ab sofort mit seinen Geldgebern über neue Milliardenhilfen verhandeln. Die Euro-Finanzminister billigten am Freitag den Start neuer Gespräche. Zuvor hatte auch der deutsche Bundestag grünes Licht gegeben.

Südostschweiz
17.07.15 - 18:56 Uhr
Politik

Der Gouverneursrat des Euro-Rettungsfonds ESM stimmte am Freitag formal der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland zu. Die Institutionen würden nun das "Memorandum of Understanding" mit der griechischen Regierung aushandeln, teilt der ESM mit. Parallel dazu erarbeite der ESM einen Vorschlag für die finanzielle Beistandsvereinbarung (FFA).

Im ESM-Gouverneursrat sind die Euro-Finanzminister vertreten, Vorsitzender ist Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. Die Eurogruppe hatte dem neuen Hilfsprogramm bereits am Donnerstag im Grundsatz zugestimmt.

Die Verhandlungen dürften nach früheren Angaben Dijsselbloems etwa vier Wochen dauern, EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis sprach am Freitag von "mehreren Wochen".

Das dritte Hilfspaket soll nach bisherigen Planungen bis zu 86 Milliarden Euro für drei Jahre umfassen. Im Gegenzug muss Athen harte Spar- und Reformauflagen erfüllen. Das Land ist mit 313 Milliarden verschuldet und steht kurz vor der Pleite.

Der Grossteil des neuen Finanzpakets soll aus dem Euro-Rettungsfonds ESM kommen, ein weiterer Anteil vom Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die rettende Brücke

Damit Griechenland nicht schon vorher in die Pleite rutscht, bekommt es einen Notkredit von rund sieben Milliarden Euro. Diese Brückenfinanzierung soll helfen, am Montag Schulden an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzuzahlen.

3,5 Milliarden Euro werden dann fällig. Das Geld für den Überbrückungskredit stammt aus dem EU-Rettungstopf EFSM, der allen 28 EU-Staaten gehört.

Dombrovskis bestätigte, dass bei dem Kredit Nicht-Euro-Staaten über milliardenschwere Gewinne der EZB mit griechischen Staatsanleihen abgesichert werden. Nicht-Euro-Länder wie Grossbritannien hatten deutliche Bedenken geäussert, bei der Griechenland-Rettung Risiken eingehen zu müssen.

Hürde Deutschland

Eine Hürde für den Beginn von Verhandlungen mit Athen war die Zustimmung des deutschen Bundestages. In der Sondersitzung des Parlaments stimmten 439 Abgeordnete für neue Gespräche, 119 votierten dagegen und 40 enthielten sich.

Unter den Gegnern waren auch überraschend viele Parlamentarier der Union: 60 verweigerten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble die Gefolgschaft, fünf enthielten sich.

Merkel hatte in der vorangegangenen Debatte den Bundestag vor einem Nein zum Hilfspaket gewarnt. "Wir würden grob fahrlässig, ja unverantwortlich handeln, wenn wir diesen Weg nicht wenigstens versuchen würden."

Die Alternative zu den Spar- und Reformauflagen sei gewesen, die europäischen Verträge zu biegen, "bis sie nichts mehr wert sind". Oder Europa hätte aufgegeben, keinen letzten Rettungsversuch mehr unternommen und zugesehen, "bis das Land ausblutet", sagte Merkel. "Chaos und Gewalt könnten die Folgen sein."

Ein letzter Versuch

Finanzminister Schäuble sprach von einem letzten Versuch, um das extrem schwierige Schulden-Problem Griechenlands zu lösen: "Ich bin davon überzeugt, dass diese Lösung funktionieren kann."

Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte hingegen den Finanzminister scharf: "Herr Schäuble, es tut mir leid, aber Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören." Gysi warf Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel von der SPD vor, sich Schäuble unterzuordnen.

Auch Österreichs Parlament stimmte am Freitagmittag der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland zu. Wenn ein drittes Hilfspaket in einigen Wochen ausgehandelt ist, müssen viele Parlamente der Euro-Staaten noch einmal über die Vereinbarungen abstimmen.

Banken ab Montag wieder offen

Am Montag könnten in Griechenland die geschlossenen Banken wieder öffnen, wie Vize-Finanzminister Dimitris Mardas im Fernsehen sagte. Die meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben allerdings in Kraft. Momentan können die Griechen pro Tag höchstens 60 Euro abheben. Überweisungen ins Ausland sind nur mit Genehmigung möglich.

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