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Nach Nein in Athen steigt Druck auf Euro

Mit einer überraschend deutlichen Mehrheit haben die Griechen an der Urne die Sparvorgaben der internationalen Gläubiger abgeschmettert. Ministerpräsident Alexis Tsipras sagte am Sonntagabend, nun werde "die griechische Schuldenlast auf den Verhandlungstisch" gelegt.

Südostschweiz
06.07.15 - 00:45 Uhr
Politik

Nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der abgegebenen Wahlzettel stimmten gut 61 Prozent mit "Nein" und unterstützten damit den Konfrontationskurs von Ministerpräsident Tspiras. Nur knapp 39 Prozent sprachen sich am Sonntag dafür aus, unter den Konditionen der Geldgeber weiter zu verhandeln, wie das Athener Innenministerium am Sonntag mitteilte.

Regierungschef Tsipras kündigte neue Verhandlungen an. Erste Priorität habe aber nun die Wiederöffnung der geschlossenen Banken, erklärte er in einer Fernsehansprache. Athen sei weiter zu Reformen bereit. Dringend notwendig seien Investitionen sowie die Umstrukturierung der Schulden.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz glaubt dagegen nicht daran, dass die Banken in Griechenland schon am Montag wieder öffnen werden. Er sehe die griechische Bevölkerung nun in einer Situation, die von Tag zu Tag schwieriger werde.

Auch der Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, reagierte auf das deutliche Nein der Griechen im Referendum über die Forderungen der internationalen Gläubiger besorgt. "Dieses Ergebnis ist sehr bedauerlich für die Zukunft Griechenlands", erklärte der niederländische Finanzminister. Für eine Erholung der griechischen Wirtschaft seien "schwierige Massnahmen und Reformen unvermeidbar". "Wir werden nicht die Initiativen der griechischen Behörden abwarten", fügte Dijsselbloem hinzu.

Sondergipfel der Euro-Länder

Das Ergebnis des Referendums ist ein Schlag für eine Reihe von EU-Spitzenpolitikern, die bis zuletzt für eine Annahme der Gläubigervorschläge geworben und das Referendum zu einer Abstimmung über die europäische Währung erklärt hatten. Der slowakische Finanzminister Peter Kazimir schrieb im Internetdienst Twitter, das Referendumsergebnis öffne die Tür zu einem Grexit. Der Austritt aus dem Euro sei nun ein "realistisches Szenario". Die Regierungschefs der baltischen Staaten reagierten zurückhaltend auf das Ergebnis.

EU-Ratspräsident Donald Tusk berief einen Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der 19 Euro-Länder für diesen Dienstag (18.00 Uhr) in Brüssel ein. Zur Vorbereitung soll es am selben Tag ein Treffen der Euro-Finanzminister geben. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande wollen bereits am Montag über die Konsequenzen aus dem Referendum beraten. "Beide sind sich darin einig, dass das Votum der griechischen Bürger zu respektieren ist", hiess es in der kurzen Erklärung weiter.

Ebenfalls am Montag will EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit Spitzenvertretern der EU-Institutionen über das weitere Vorgehen beraten. Es sei eine Telefonkonferenz mit EU-Gipfelchef Tusk, Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem und dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi geplant, teilte die EU-Kommission in Brüssel mit.

Feiern im Athen - Druck auf Euro und Börse

Kurz nach Schliessung der Wahllokale feierten Tausende Gegner des Reformprogramms auf den Platz vor dem Parlament in Athen. Viele Griechen machen die Gläubiger aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank und deren Sparvorgaben für die dramatische Lage im eigenen Land verantwortlich.

Mit Spannung wird nun zunächst auf die nächsten Stunden geblickt: So ist unklar, ob die von Rezession und Rekordarbeitslosigkeit geplagten Griechen am Montag noch an ihre Guthaben kommen oder ob den Banken das Geld ausgeht. Für die Aktienmärkte wurden Kurseinbrüche vorhergesagt. Der Euro sackte nach dem Ergebnis rund 1,5 Prozent auf unter 1,10 Dollar ab. An den US-Börsen werden nach dem Referendum in Griechenland zunächst Abschläge von 1,5 Prozent erwartet. Darauf deuten die Notierungen der Futures hin.

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