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Ein Flüchtling und sein grosser Traum

Ein Somalier möchte unbedingt arbeiten. Sein Flüchtlingsstatus lässt das aber nicht zu – da kommt er auf eine ganz schlechte Idee. Ein Gerichtsfall der aussergewöhnlichen Sorte.

Südostschweiz
07.02.17 - 20:00 Uhr
Ereignisse
Mit einem falschen Pass darf nicht gearbeitet werden. Symbolbild
Mit einem falschen Pass darf nicht gearbeitet werden. Symbolbild

von Pierina Hassler

Silebin A. stand am Dienstag um 14 Uhr vor dem Regionalgericht Plessur in Chur. Angeklagt der Fälschung von Ausweisen. Gut zwei Stunden später liess der Angeklagte den Kopf hängen: Er wird mit einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 30 Franken bestraft. Auf drei Jahre bedingt aufgeschoben.

Ohne Pass keine Arbeit

Die Fakten sind klar: Silebin A. operierte mit einem falschen Pass. Wurde erwischt, der Fälschung von Ausweisen angeklagt und schuldig gesprochen. Und doch ist die Geschichte des 30-jährigen Flüchtlings aus Somalia etwas komplizierter. Er wollte doch nur arbeiten. Und ohne Pass keine Arbeit.

Laut Anklageschrift besass Silebin A. als Flüchtling die F-Bewilligung. Weil es aber für ihn ohne eine B-Bewilligung schwierig war, eine Arbeit, eine Wohnung und ein Telefonabonnement zu erhalten, beantragte er bei der somalischen Botschaft in Genf einen Reisepass. Weil die Botschaft aber keine Pässe mehr ausstellt, wandte sich der Mann an seine in Somalia lebende Frau. Diese bestellte bei den lokalen Behörden das Papier. Ihr Mann hatte ihr 80 Franken und ein Foto zugesandt.

Zu grosse Seiten, keine Nummerierung

Ab dann lief mit dem bestellten Reisepass so ziemlich alles schief, was schief laufen kann. Zwar hatte der Angeklagte nach einem Monat seinen Pass, aber was für einen! Unter anderem waren die Seiten nicht durchnummeriert. Sämtliche Sicherheitsmerkmale auf den Personalien fehlten. Das Blatt der Seiten 31/32 war zu gross – aber Silebin A. freute sich. Er wähnte sich dem Traum, in der Schweiz Arbeit zu finden, einen Schritt näher.

Der Somalier reichte den Pass trotz dieser zahlreichen und auffälligen Fälschungen dem Amt für Migration und Zivilrecht Graubünden ein, um die B-Bewilligung zu erhalten. Und wurde erwischt.

Er wollte alles richtig machen

Silebin A. habe in seinem Leben noch nie einen Pass gesehen, sagte sein Verteidiger gestern vor Gericht. Er habe nicht gewusst, wie ein solcher aussehe. «Sein Verhalten ist höchstens fahrlässig, und dies ist nicht strafbar», so sein Verteidiger. Silebin A. wollte alles richtig machen. In diesem Fall hats nicht geklappt. Wobei der Somalier jetzt auch ohne gültigen Pass einen Job gefunden hat – und einen Arbeitgeber, dem die Geschichte wohl nicht so wichtig ist.

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