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Der Neubau heisst im Volksmund «Kachelofen»

Vier Anmerkungen zur bislang so stark gelobten Architektur des neuen Kunstmuseums von Chur. Eine Kritik.

Südostschweiz
27.07.16 - 09:19 Uhr
Ereignisse

Von Köbi Gantenbein

Das neue Kunstmuseum von Chur ist ein grosser Gewinn für die Kunst und die Kultur im Kanton Graubünden. Wie Direktor Stephan Kunz das Museum nutzt, ist wunderbar. Für die Sammlung. Für thematische Ausstellungen im Neubau, wo zurzeit «Solo Walks», Bilder zum Gehen, versammelt sind.

Kurz – Kunz und die Seinen brauchen virtuos, was wir nun haben. An den Eröffnungsfeiern und in den Zeitungen ist auch die Architektur innig gelobt worden. Ich will ihr noch vier Anmerkungen schenken.

  1. Auch wenn die Reparatur von Bahnhofstrasse und Postplatz nur halbwegs geraten ist – sie sind ein Rückgrat der Stadt Chur. Das Museum aber wendet sich nun ab und spielt neben dem traurigen Beamtenhaus und mit dem Rücken zum RhB-Palast ein Solo. Der richtige Bezug für ein Kunsthaus hiesse Postplatz und Bahnhofstrasse. Und die richtige Ordnung wäre: Villa Planta als Haupthaus, das heitere Türmchen sein Zubau. Nun wirkt das Kunsthaus einsam, und an Bedeutung verloren hat auch die Bahnhofstrasse. Doch wird der Beamtenblock einst fallen, ergeben sich neue Aussichten.
  2. Die Architekten Barozzi/Veiga sprechen im Buch zum neuen Kunstmuseum, ihnen läge ein «Dialog» des Neubaus mit der alten Villa am Herzen. Sie legen aber wacker Gewicht auf die Seite ihres Neubaus. Für den Turm schnitten sie dem Garten ein beachtliches Stück ab und machten daraus Resträume. Der Garten aber war einst der Ort des Dialogs zweier Häuser. Wie lose die Verbindung des Neuen mit dem Alten ist, merkt, wer im Museum über die Treppe, die eher eine Leiter ist, von der Villa ins Türmlein hinabsteigt. Der Übergang ist nicht geraten.
  3. Der Neubau heisst im Volksmund Kachelofen. Das ist ein gutes Zeichen, denn ein Übername adelt ein Haus. Dieser Übername vergisst, dass Ofenkacheln schmücken und Wärme speichern. Da und dort lassen leere Museumskacheln Licht ins Haus, und für das Tor, durch das Lastwagen mit Kunst ins Haus fahren können, werden sie kurioser Versteckschmuck.
    Das Ornament wird in der zeitgenössischen Architektur mit allen möglichen Funktionen verbunden. Energiegewinnung, Lichtfilter, Sonnenschutz und -lenkung und hängende Gärten werden ornamental in Fassaden und auf Dächer gebaut. Die als orientalisch geltenden Kacheln am Turm stellen nur eine etwas gesuchte Verbindung zu den Morgenland- Malereien in der Villa Planta her. Das ist mager.
  4. Das Museum hat nun mehr Platz – wie gut. Und weil der nicht da war, musste er in der Erde gefunden werden. Die Keller sind die Ausstellungsräume, stimmig in den Proportionen, einfach in der Abfolge, vielfältig brauchbar. Sie sind gut geraten. Der Preis des Vergrabens aber heisst raffiniertes Kunstlicht – kein Sonnenstrahl, keine Tageszeit, nur ich und die Kunst in kühler Atmosphäre.

Weit herum im Museumsbau ist das heute beliebt. Mir gefällt es dennoch nicht, und so sitze ich im Museumscafé mit Sonnenblick und denke, was der Grossarchitekt Louis Kahn sprach: «Wenn ich einen Plan sehe, der versucht, mir Räume ohne Licht zu verkaufen, verwerfe ich ihn einfach, ohne weiter über ihn nachzudenken, weil ich weiss, dass er falsch ist.» Schliesslich: Die Renovation der Villa Planta ist ausserordentlich geraten: Bravo   Walser Architekten, bravo Denkmalpfleger Berger, bravo Restaurator Fischer, bravo Kantonsbaumeister Dünner.

* Köbi Gantenbein ist Präsident der Kulturkommission des Kantons Graubünden und Chefredaktor von «Hochparterre».

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