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Gruss aus Mo i Rana

In «Ruchs Rubrik» beleuchtet Christian Ruch Bedenkliches, Merkwürdiges und Lustiges aus der Region Südostschweiz. Heute dreht sich alles um Provinzkäffer.

Südostschweiz
23.07.16 - 11:00 Uhr
Ereignisse

Nach meiner letzten Kolumne wurde ich besorgt gefragt, ob ich denn noch zum Kofferpacken gekommen bin. Bin ich – und der Koffer ging sogar noch zu. Das Schliessen des Koffers ist ja sozusagen die Abschlussprüfung aller Packbemühungen. Jedenfalls bin ich mittlerweile wohlbehalten in Norwegen angekommen, genauer gesagt in Mo i Rana. Das liegt ungefähr auf halber Strecke zwischen Chur und dem Nordpol, knapp unter dem Polarkreis. Mo i Rana zählt zu jenen Orten, die ich ehrlich gesagt nur deshalb aufsuche, weil mich ihr Name so fasziniert. Darum liebe ich auch den Bahnhof Sonceboz-Sombeval im Berner Jura und war schon im finnischen Uusikaupunki.

Mo i Rana ist eines jener norwegischen Provinzkäffer, die einen zur Frage verleiten, ob zu den häufigeren Todesursachen nicht auch Langeweile zählt. Witterungsbedingt spielt sich das Leben in solchen Orten nicht in den zugigen und kahlen Fussgängerzonen, sondern kleinen kuscheligen Shoppingmalls ab. Dort kann man den Moiranerinnen dabei zusehen, wie sie mit dem skeptischen Blick der emanzipierten Norwegerin, gleichzeitig aber auch leicht wehmütig, an Bikini-Oberteilen herumzupfen, wohl wissend, dass sie so etwas, sofern der Klimawandel nicht endlich einen Zacken zulegt, allenfalls in Maspalomas tragen werden, aber kaum in Mo i Rana. Schliesslich soll das Käffli wie so manch andere norwegische Stadt über beheizbare Trottoirs verfügen, das allein sagt schon alles.

Das einzig Beeindruckende an Mo i Rana ist ein völlig überdimensioniertes Spielzeugparadies, das selbst mich als nicht zielgruppenrelevanten Besucher begeistert hat. Dass es zum Beispiel von Playmobil jetzt auch ein Hochzeitspaar gibt, erfuhr ich erst in Mo i Rana. Dass statt Schlitten eine Riesenauswahl an Sändele-Utensilien angeboten wird, befremdete mich jedoch fast noch mehr als das Bikini-Sortiment. So kehrte ich die armen Norweger klimahalber bemitleidend ins Hotel zurück. Wo ich erfuhr, dass es in Mo i Rana gerade vier Grad wärmer war als in Chur. Und es in Arosa schneite. Ist der nordnorwegische Sommer also doch nicht so schlecht! Arosa aber sollte schleunigst über beheizbare Trottoirs nachdenken, finde ich.

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