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Ladendiebstahl

Pesche Lebrument hat beschlossen, dass er jetzt eine Lebenskrise hat! Jeden Sonntag berichtet er nun für die Zeitung «Südostschweiz» und «Südostschweiz Online» aus seinem Alltag! Heute: Einkaufen und Kochen.

Südostschweiz
29.05.16 - 10:00 Uhr
Ereignisse

Von Pesche Lebrument

Die Butter ist heiss, schäumt in der Pfanne. Ich schaue ungläubig auf die Küchenablage. Ich hatte doch alles bereit gelegt: Die Karotten, die Zwiebeln, das Hackfleisch, die Dosentomaten, den Rotwein. Er ist nicht da, der Sellerie. Auch fehlt die kleine, getrocknete Chilischote. Ich habe diese Zutaten schlicht vergessen einzukaufen. Ich erkenne sofort: So wird meine  berühmte Spaghetti Bolognese-Sauce nie gelingen. Ich bin kein grosser Koch, aber meine Bolo-Sauce ist die Beste auf der ganzen Welt. Kein Quark! Meine Freunde können das bestätigen.

Herd aus, Auto an. Das Gemüse steht im Laden gleich beim Eingang. Eine Riesenauswahl. Mein Blick schweift über die Warenauslagen. Was wollte ich? Ach ja, getrocknete Chilischote. Eine kleine, damit die Sauce nicht zu scharf wird. Die kleinste, die ich finde, packe ich ins durchsichtige Plastiksäckchen und lege sie auf die elektronische Waage. ‚Chili, Nummer 96‘ lese ich auf dem Schild. Ich tippe die Nummer in die Tastatur ein. Nichts, kein Preisschild wird ausgedruckt. Ich schaue aufs Display. Die Waage zeigt kein Gewicht an. Die Chilischote ist zu leicht.

Soll ich deswegen jemand vom Personal rufen? Na ja, aber was nichts wiegt, kann ja eigentlich auch nichts kosten. Jedenfalls möchte ich mich vor dem Personal nicht zum Affen machen. Die denken sonst, ich sei ein oberkorrekter Spiesser, der einen Aufstand veranstaltet, bloss wegen dieser winzig kleinen getrockneten Chilischote. 

Ich belasse den Chili schliesslich in der durchsichtigen Tüte und lege eine grosse Sellerieknolle obendrauf. Ich  klebe zudem das korrekte Sellerie-Preisschild auf den Plastik.

Ich male mir aus, was passiert, wenn ich am Ausgang durchsucht würde. Wenn die meine Einkäufe mit dem Kassabon vergleichen und sehen, dass ich die kleine, getrocknete Chilischote  habe mitlaufen lassen. Das ist bestimmt eine Bagatelle! Oder wäre das bereits qualifizierter Ladendiebstahl? Rufend die die Polizei? Wie sehen ‚die‘ eigentlich aus? Tragen die Warenhausdetektive Uniform und Pfefferspray? Sitzen sie in einem Raum mit Monitoren? Beobachten sie mich durch verspiegelte Scheiben? In diesem Laden gibt‘s bestimmt Detektive. Es ist ein riesiges Geschäft, ich bin bei einem der beiden Grossverteiler. Bei welchem genau möchte ich nicht sagen. Nur so viel: Es ist es nicht die Migros.

Ich lasse die durchsichtige Tüte aufs Band gleiten. Ich glaube, das sind Schweissperlen auf meiner Stirn. Z‘Kassafräulein scannt den Strichcode. Glück gehabt! Sie hat die Chilischote unter der Sellerieknolle nicht bemerkt. Letzte Chance etwas zu sagen. Bekenne, beichte, gestehe, jetzt!!!

Die Butter schäumt wieder in der Pfanne. Vor mir liegen nun die Chilischote, sowie der Sellerieknollen auf der Küchenablage. Ich betrachte die Schote. «Diebesgut» murmle ich und zerhacke sie hektisch. Ich werfe die gehackte Chilischote mitsamt meinem schlechten Gewissen auf den Kompost, vernichte alle Beweise.

Meine Freunde sagen, meine Bolo-Sauce schmecke nicht wie sonst. Schon irgendwie gut, aber nicht wie die Weltbeste. Die typische Schärfe habe gefehlt. Jetzt wird mir vollends klar: Ich habe ein kulinarisches Verbrechen begangen.

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