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Steuererklärung

Pesche Lebrument hat beschlossen, dass er jetzt eine Lebenskrise hat! Jeden Sonntag berichtet er nun für die Zeitung «Südostschweiz» und «Südostschweiz Online» aus seinem Alltag! Heute über die allseits «beliebte» Steuererklärung.

Südostschweiz
12.02.17 - 08:00 Uhr
Pesche Lebrument hinterfragt seinen Alltag.
Pesche Lebrument hinterfragt seinen Alltag.

Wie ein Leuchtturm trotzt er Wind und Wetter. Ein Relikt längst vergangener Tage. Er trägt meinen Namen: mein Briefkasten. Früher enthielt er das ganze Jahr über zahllose Überraschungen. Der handgeschriebene Brief der Brieffreundin, der Postkartenferiengruss, Neuigkeiten aus aller Welt. Heute ist er verlassenes Blech, toter Briefkasten. Die Zeitung les ich längst online. Hier kommt nur noch die Post an, die sonst nicht weiss, wohin. Ich leere ihn nur noch einmal die Woche. Wenn überhaupt. Heute.

Er öffnet sich mit einem blechernen Ächzen und enthüllt seinen dünnen Inhalt. Abstimmungsempfehlungen, Prospekte, gedruckte Langeweile. Dazwischen ein blütenweisser Brief. Meine Neugier öffnet ihn. Auf dem Schreiben thront ein Amtsstempel. Aufforderung zur Einreichung der Steuererklärung. Danke für diesen tollen Tag.

Ich habe wenig Lust, die Steuererklärung auszufüllen. Es fühlt sich an, wie damals Hausaufgaben machen. Von meinen Staatsbürgerpflichten ist nach der Schul- und Stellungspflicht die Steuerpflicht übrig geblieben. Regelmässig hab ich früher beim Amt eine Fristerstreckung zur Einreichung der Steuererklärung erwirkt. Verschoben auf den Sankt Nimmerleinstag. Doch es gibt ihn nicht, den Tag, der niemals kommt. Heute will ich es einfach schnell hinter mich bringen. Ich verkriech mich widerwillig in meinem Büro. Selbst der Rechner startet lustlos. Die Steuererklärung ist in die Neuzeit gealtert. Das Schreiben enthält keine Papierformulare und keine Software-CD mehr. Aufgedruckt ist lediglich ein Downloadlink zum Herunterladen des Steuererfassungsprogramms. Als Onlinebürger erhalte ich eine Direktverbindung in den Staats- und Steuerapparat.

Die installierte Software wühlt sich augenblicklich durch meinen Rechner. Sie schnappt sich meine Daten der Vorjahressteuererklärung von der Festplatte und wirft sie auf den Bildschirm. Ein fixfertig ausgefülltes Formular erscheint. Name, Adresse, Beruf, E-Mail, Telefon- und AHV-Nummer samt Bankverbindung. Meine Identität in Tabellenform. Eigentlich bräuchte ich jetzt nur noch alle Zahlen einzusetzen. Wenn ich denn nur wüsste welche. Ich hieve einen Dokumentenstapel auf den Tisch. Unchronologisch geordnet liegen sie wild übereinander, die Belege, Abrechnungen und Quittungen. Der Stapel ist die sichtbare Summe meiner Selbstkosten des vergangenen Jahres. Ich bin mein eigener Kostenfaktor und leider auch mein eigener Buchhalter.

Irgendwann hab ich alles zusammen. Lohnausweis, Versicherungs- und Bankauszüge. Es gilt die richtigen Summen am richtigen Ort einzutragen. Die vielen Zeilen in diesem verzwickten finanziellen Fragebogen verwirren. Verheiratet oder verwitwet? Gespart oder gespendet? Christ oder Atheist? Der Lebensweg hat direkte Auswirkungen aufs Portemonnaie.

Mein Dorf ist ein Natur-, aber kein Steuerparadies. Ich versichere mich mehrmals, ob ich auch alle Abzüge in Abzug gebracht habe. Allein der Möglichkeiten sind nicht viele. Aus der Kirche bin ich schon lange ausgetreten.

Am Ende bleibt der Mausklick auf den Steuerrechner. Er errechnet meine Schuld. Steuern sind für alle gleich ungerecht. Ich zahle sie nicht gerne, dafür mit Überzeugung. Mein Anteil Allgemeinheit. Schulen, Sozialamt, Gefängnisse. Ich beteilige mich an Errungenschaften ganzer Generationen. Meine ausländischen Verwandten bemerken bei jedem ihrer Besuche, wie perfekt hier doch alles sei. Mir fällts schon gar nicht mehr auf.

Erledigt ist die lästige Last. Ich werf die Steuererklärung in einem blütenweissen Umschlag in den gelben Postbriefkasten. Ich traue der elektronischen Online-Übermittlung nicht.

Ich habe mit der Vergangenheit abgerechnet. Allerdings nur mit dem Notwendigen, nicht mit dem Wesentlichen.

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