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Churer Klartext 
in der Heiligen Stadt

Gläubige aus sieben Ländern sind für eine «Kirche mit den Frauen» nach Rom gepilgert – unter ihnen die Churer Theologieprofessorin Eva-Maria Faber.

Südostschweiz
03.07.16 - 18:33 Uhr

von Urs Schnider (Text und Bilder)

Das Gewusel in den Gassen Roms ist an diesem Samstag, wie es wohl immer schon war: Abertausende Menschen verlieren sich in der Ewigen Stadt: Touristen, Souvenirhändler, Geistliche und Nonnen, Römerinnen, Pizzabäcker, Carabinieri, Kinder, Eisverkäufer. In den Kaffeebars schnappt man Satzfetzen auf wie «tre a uno» oder «vincere».

Calcio und die Frauen

Es gibt zwei Themen, die besonders auffallen an diesem 2. Juli: Die Fans des Calcio freuen sich auf das EM-Spiel zwischen Italien und Deutschland und fiebern bereits frühmorgens dem Viertelfinal-Kracher entgegen … – und dann sind da diese Buttons: weisse, Fünfliber-grosse Anstecker, die die Inschrift tragen «Für eine Kirche mit den Frauen». Sie fallen auf, sind überall zu sehen. Sichtlich stolze Frauen tragen sie, angesteckt am Rucksack, dem T-Shirt oder dem Strohhut am Trevibrunnen vorbei, die Spanische Treppe hoch oder schmücken damit ihre Schals und Taschen. Man sieht sie in den Strassenkaffees und Gassen und auf der Brücke vor der Engelsburg.
Ein Strassenhändler, der irgendetwas Unnützes unter die Leute bringen muss, sagt: Er habe keine Ahnung, was das sei, diese «Chiesa con le Donne». Klar, nur die wenigsten in Rom haben vom Projekt gehört – aber es werden immer mehr. Die Bilder und Posts zur Ankunft der Pilgerinnen in Rom wurden auf der Facebookseite des Projekts gegen 20 000-mal angeklickt. Gläubige aus mehr als sieben Ländern sind nach Rom gekommen. Aus der Schweiz sind die meisten Kantone vertreten – Graubünden, Glarus, St. Gallen, der Aargau.

Es begann mit einem Gedankenblitz von Hildegard Aeppli vor rund zwei Jahren. Sie fragte sich damals wie aus heiterem Himmel: «Ist nicht jetzt, bei diesem Papst, der Zeitpunkt, für eine geschwisterliche Kirche nach Rom zu pilgern?» Dieser Papst, der hoffnungsvolle Zeichen der Veränderung setze und Klerikalismus und Macho-Kultur kritisiere, mache Hoffnung auf Veränderung. Auf dem teils beschwerlichen Weg erkannte Aeppli: «Der Blitzgedanke war kein Hirngespinst. Es ist ein Gedanke Gottes.»

Klartext der Churer Theologin

Eva-Maria Faber, die an der Theologischen Hochschule Chur einen Lehrstuhl für Dogmatik und Fundamentaltheologie inne hat, war von Beginn an mit dabei beim Projekt: «Ich bin beeindruckt, wie viele Menschen sich auf den Weg machen. In Gedanken, im Gebet – oder auch physisch, wie die Pilgergruppe hier nach Rom.» Faber lief die Etappe von Thusis nach Zillis mit. Am Samstag kam sie nach Rom, um ihrer Solidarität Ausdruck zu geben.
Die unzähligen Rückmeldungen zum Projekt seien durchwegs «vornehm und versöhnlich» gewesen, sagt Faber. Doch: Die kamen meist von Frauen der älteren Generationen, die immer in der Kirche dabei geblieben seien. «Jüngere Frauen, die sich die Gleichberechtigung in Gesellschaft und Politik gewöhnt sind, wenden sich oft von der Kirche ab.» Es könne nicht sein, dass nur Männer über die Rolle und Stellung der Frauen in der Kirche nachdenken, geht Faber mit den Initiantinnen einig: «Das geht einfach nicht mehr.»

«Jetzt sofort beginnen»

Faber weiss nur zu gut, wovon sie spricht, sie sitzt im vatikanischen Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen. Im akademischen Bereich der Kirche sei die Gleichberechtigung bereits hoch, sagt die Professorin. Nichtsdestotrotz fordert sie: «Wir müssen jetzt sofort beginnen, darüber nachzudenken, wie wir eine geschwisterliche und gleichberechtigte Kirche sehen. Die Stimme der Frau soll auch in leitenden Funktionen gehört werden und die Frauen Verantwortung erhalten: «Die leitenden Männer der Kirche machen sich wohl Illusionen, wie befremdlich die Strukturen und Hierarchien auf Frauen wirken.»

Die Forderungen der Pilger findet auch die Unterstützung vieler Männer. So etwa von Bischof Markus Büchel, der zusammen mit dem Basler Bischof Felix und Abt Urban vom Kloster Einsiedeln die Pilgerinnen in Rom empfing.  Sie feierten im Petersdom zusammen mit über 500 Frauen und Männern einen Gottesdienst. Papst Franziskus allerdings war nicht mit dabei.

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