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Vom Konzept des «Crowdbutchering»

Sein Fleisch online zu bestellen, ist in der heutigen Zeit nichts Besonderes. Genau zu wissen, von welcher Kuh das Fleisch stammt, aber schon. Kuhteilen.ch schafft mit seinem Angebot ein neues Bewusstsein für das Steak auf dem Teller.

Südostschweiz
13.08.15 - 07:30 Uhr

Moritz Maier ist Mitbegründer der Plattform Kuhteilen.ch und Erfinder des Begriffs «Crowd-butchering». Nimmt man die englische Wortschöpfung auseinander und übersetzt sie ins Deutsche, wird klar, um was es auf der Website geht. «Kuhteilen.ch ermöglicht verschiedenen Personen, gemeinsam ein Rind zu teilen», sagt Maier. Das Besondere dabei ist aber nicht etwa, dass man gemeinsam mit anderen, unbekannten Leuten sein Fleisch online bestellt, sondern dass das Rind erst geschlachtet wird, wenn es vollständig verkauft ist. Zudem wird die Ohrmarken-Nummer des Tieres veröffentlicht. Und wenn bekannt, sogar der Name. Verkauft wird ausschliesslich Bio-Fleisch bester Qualität, direkt von einem Berner Bauern, der die Tiere noch selbst zum Schlachthof begleitet.

Es war eigentlich eine «Bier-Idee»

Kundschaft hat Kuhteilen.ch mittlerweile in der ganzen Schweiz. Was vor einem halben Jahr mit einer «Bier-Idee» zwischen Maier und Geschäftspartner Xavier Thoné begann, scheint zu funktionieren und trifft auf eine grosse Nachfrage. Für den gelernten Betriebsökonomen und Software-Ingenieur ist das kaum eine Überraschung. «Die Konsumenten wollen heute mehr denn je genau wissen, was bei ihnen auf dem Teller landet», ist sich Maier sicher. Transparenz sei gefordert, als Konsument wünsche er sich diese auch selbst. Auf Kuhteilen.ch gibt es ausschliesslich «Kuhteilen Beef», Bio-Rind von ausgewählten Fleischrassen wie Charolais oder Limousin. «Es gibt viele gute Rassen, aber wir legen bei der Qualität vor allem Wert darauf, dass das Fleisch einen optimalen Fettgehalt und die richtige Fleischigkeit hat », so Maier. Mit den gewählten Rassen klappe dies hervorragend.

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Nachhaltigkeit ist das Ziel

Doch eigentlich ist die Fleischqualität bei Kuhteilen.ch ein sekundäres Thema. Gemäss Maier geht es vor allem darum, die Tiere mit Respekt zu behandeln. «Wir promoten nicht Online-Fleischhandel, sondern ein Konzept zur Nachhaltigkeit», sagt Maier. Solange das Tier noch auf der Weide stehe, sei es ein Lebewesen und kein Produkt. «Die Tiere sollen ein schönes und angenehmes Leben haben», sagt er weiter. Für den Unternehmer ist es essenziell, kein Fleisch zu vergeuden. Es gilt, alle Teile des Tieres zu verwerten und es deswegen erst zu schlachten, wenn die Abnahme sichergestellt ist. Für Maier ist eines der grössten Probleme der heutigen Fleischwirtschaft die Überproduktion. Auch Labels wie Naturabeef sorgen für gute Fleischqualität und sind beim Konsumenten beliebt. Maier sieht diese Labels jedoch mit gemischten Gefühlen, denn sie sind von strikten Standards gesteuert – nicht immer zum Wohle des Tieres und der Nachhaltigkeit.

«Wenn Bauern ihr Fleisch beispielsweise als Naturabeef zu einem guten Preis entweder direkt oder über Händler vermarkten wollen, müssen die Rinder zu einem bestimmten Zeitpunkt bei einem vordefinierten Gewicht geschlachtet werden», erklärt Maier. Jedes Tier sei aber individuell und könne je nachdem erst später eine optimale Qualität bringen. Zudem sei die Abnahme oft nicht gesichert, was zu einer Überproduktion führen könne. «Was mit dem Fleisch geschieht, wenn das Haltbarkeitsdatum überschritten ist und es nicht verkauft werden kann, weiss niemand so recht», sagt Maier. Aus diesen Gründen bezahlt Kuhteilen.ch dem Bauern einen fixen Preis für sein Rind. Egal, wann es geschlachtet wird.

«Nose-to-Tail» heisst das Verwertungskonzept von Kuhteilen.ch. Von der Nase bis zum Schwanz wird nach Möglichkeit alles genutzt. «Es gibt Teile, die nicht verkauft werden können und auch gar nicht verkauft werden dürfen», erklärt Maier. «Alles, was zum Verzehr geeignet ist, kann man aber auf unserer Website bestellen», sagt er weiter. Trotzdem gibt es natürlich Stücke, die weniger Anklang finden. Auch dafür hat man bei Kuhteilen.ch eine Lösung gefunden. «Wir haben eine Zusammenarbeit mit diversen Restaurants in Bern, denen wir unsere Reste liefern dürfen», so Maier. Dazu gehören oft weniger beliebte Stücke, wie Innereien, Leber und Magen oder auch der Ochsenschwanz.

Nichts wird verschwendet

Doch nicht nur die Restaurants werden für die Sicherstellung der vollumfänglichen Verwertung hinzugezogen, sondern auch noch eine andere Gruppe, nämlich die der Hundehalter, wie Maier erzählt. «Die haben an manchen Teilen, die vom Menschen nicht gegessen werden können, grosses Interesse.» Das Fell schliesslich, wird zu Leder verarbeitet und an eine Organisation gegeben, die Taschen , Schuhe und andere Accessoires daraus macht.

Die Herangehensweise, wie sie Maier und Thoné gewählt haben, ist in der Schweiz bisher einzigartig. «In Belgien oder auch in Holland gibt es vergleichbare Geschäftsmodelle, aber in der Schweiz sind wir die Ersten», so Maier. Eine mögliche Erklärung, warum das Konzept in der Schweiz bisher nicht aufgegriffen wurde, sieht Maier im Aufwand. «Ich bin überall dabei: bei der Auswahl des Rindes, beim Verpacken des Fleisches, dem Versand und so weiter», sagt der Firmengründer. Hinzu kämen natürlich die Online-Vermarktung und die Bewirtschaftung der Website.

Allgemein ist Kuhteilen.ch ein intensives Unterfangen, das Maier aktuell nebenbei betreibt. «Im Moment ist es noch ein Non-Profit-Unternehmen, aber es geht uns auch nicht darum, Massen zu beliefern», so Maier. Ein Ausbau der Online-Plattform, beispielsweise die Zusammenarbeit mit zusätzlichen Bauern an verschiedenen Standorten oder der Verkauf anderer Fleischarten, sei durchaus denkbar. und auch in ­Planung.

«Es ist aber nicht unser primäres Ziel zu wachsen, sondern einen bewussten Fleischkonsum in der Schweiz zu fördern», stellt Maier klar. In Graubünden hat Kuhteilen.ch bereits einen ansehnlichen Kundenstamm, was Maier sehr freut. «Bereits nach dieser kurzen Zeit konnten wir treue Kunden gewinnen, die schon mehrfach bestellt haben und sehr zufrieden sind», sagt der selbstständige Unternehmer. Allgemein sei das Feedback bisher durchweg positiv ausgefallen. Besonders stolz mache ihn aber auch der Zuspruch, den sie von vielen Vegetariern und sogar Veganern erhalten würden. «Wenn man bei uns Fleisch bestellt, ist man sich mehr bewusst, was man konsumiert», sagt Maier, die Wertschätzung des Tieres sei einfach eine andere, ist er sich sicher.

Wachstum nur begrenzt möglich

Aktuell ist die Nachfrage nach «Kuhteilen Beef» steigend, sagt der Mitinhaber. Derzeit werde etwa ein Rind pro Woche verkauft. «Das ist ein Umfang, den wir gut bewältigen können», so Maier. Um den Andrang zu bedienen, werden bereits heute Rinder von anderen Bauern zugekauft. Natürlich immer erstklassige Tiere von top Qualität. Für Maier ist aber klar, dass dem Wachstum Grenzen gesetzt sind. «Mir ist es wichtig, den ganzen Prozess unter Kontrolle zu haben, und alle Kunden persönlich bedienen zu können.» Daher sei der Ausbau des Angebots entsprechend beschränkt.

von Lea Hefti

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